Sonntag, 03. Mai 2015 / 23:05 – 00:00 Uhr
ARTE
Dokumentation (Deutschland 2014, Erstausstrahlung) Um 1900 verkörperten Beethoven und seine Musik das Bild eines männlichen, kraftvollen Titanen und seine Klavierwerke galten für Frauen als unspielbar. Elly Ney (1882-1968) war eine der wenigen Ausnahmen. Wie keine Interpretin zuvor identifizierte sie sich mit dem Leben und der Musik Beethovens. Sogar ihr Äußeres gestaltete sie à la Beethoven – mit verinnerlicht grimmigem Blick und ungezähmter, wilder Frisur.
Nach ihrem Debüt in der New Yorker Carnegie Hall und einer glanzvollen Karriere in den USA wurde sie im Dritten Reich zur Beethoven-Ikone, die ihre Konzerte wie Andachten zelebrierte, in denen sie das "Heiligenstädter Testament" rezitierte.
"Die Ney" war die einzige deutsche Pianistin, der es zu ihrer Zeit gelang, sich neben ihren männlichen Kollegen Artur Schnabel, Wilhelm Backhaus und Wilhelm Kempff als Beethoven-Interpretin solistisch und vor dem Orchester einen Namen zu machen. Ihre Aufnahmen des Klavierwerks von Beethoven sind legendär.
In seiner biografischen Dokumentation zeichnet Axel Fuhrmann einerseits die außergewöhnliche pianistische Karriere Elly Neys nach. Andererseits sucht er mit Zeitzeugen und Historikern nach Erklärungen dafür, warum sie eine Nationalsozialistin und Helferin des Hitler-Regimes wurde, die bis zu ihrem Tod 1968 ihre Schuld nicht eingestand. Der Film erzählt, wie die NS-Propaganda Beethoven für ideologische Zwecke nutzte und welche Rolle Elly Ney bei der Verbreitung seiner Musik spielte. An Originalschauplätzen und mit Foto-, Film- und Briefdokumenten aus privaten und öffentlichen Archiven geht Axel Fuhrmann auf eine spannende Spurensuche im Leben und Wirken Elly Neys.
Die Schriftpsychologin Roswitha Klaiber untersucht Briefe Elly Neys, in denen sie Hinweise auf ihre Persönlichkeit findet. Am Klavier analysiert die Pianistin Ragna Schirmer ausgewählte Plattenaufnahmen Elly Neys, um ihren einzigartigen Interpretationsstil zu ergründen. Dabei geht sie der Frage nach, wie sich Neys Spiel von dem anderer Pianisten ihrer Zeit, beispielsweise Dame Myra Hess, Annie Fischer und Artur Schnabel, unterscheidet.
(pt/wa)