Musikschulen in Deutschland: Eine Bestandsaufnahme

06. Mai 2015 - 14:19 Uhr

Münster – Mehr als 14 Millionen Menschen in Deutschland musizieren in ihrer Freizeit oder singen im Chor. Zu diesem Ergebnis kam das Musikinformationszentrum nach Auswertung verschiedener Umfragen Ende letzten Jahres. Damit der Nachwuchs nicht ausgeht, gibt es öffentliche und private Musikschulen. Dort lernen über zwei Millionen Kinder und Erwachsene. Am Wochenende treffen sich 1.500 Vertreter der öffentlichen, gemeinnützigen Bildungseinrichtungen.

Ist Musikschule überhaupt noch angesagt?

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Die Nachfrage bleibt ungebrochen, sagt der Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Musikschulen (VdM), Ulrich Rademacher. Mehr als 1,3 Millionen Schüler besuchten 2013 eine öffentliche Musikschule. Nach Hochrechnungen des Deutschen Jugendinstituts nimmt mehr als eine weitere Million Unterricht bei einem privaten Lehrer oder an einer privaten Schule.

Was macht Musizieren lernen attraktiv?

"Gerade in Zeiten des Internets gibt es eine Sehnsucht nach Live-Erlebnissen, nach Handfestem", glaubt Rademacher. Der Wunsch, ein Musikinstrument zu lernen, werde als wichtiger Kontrast zum virtuellen Leben ewig gefragt sein, ist er überzeugt. Das setze jedoch zeitgemäße Konzepte voraus, sagt Mario Müller, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Privatmusikschulen (bdpm). So könnten Musikschulen etwa Plattformen für Bands bieten oder auch das Musizieren mit dem Computer vermitteln.

Wodurch unterscheiden sich private und öffentliche Musikschulen?

Die 930 gemeinnützig organisierten Musikschulen im VdM an 4.000 Standorten erfüllen einen Bildungsauftrag. Sie sollen junge Menschen an die Musik heranführen und möglichst vielen ermöglichen, ein Instrument zu lernen. Daneben behauptet sich eine nicht genau erfasste Zahl privater Musikschulen. Etwa 350 Institute sind im bdpm organisiert, Tendenz steigend. Daneben gibt es zahlreiche Privatlehrer und weitere Institute.

Ist genügend Geld für die öffentlichen Musikschulen da?

Den öffentlichen Musikschulen stand 2013 ein Gesamtetat von rund 930 Millionen Euro zur Verfügung, knapp zur Hälfte finanziert aus Zuschüssen von Kommunen und Ländern. "Es ist ein Trugschluss zu glauben, wir würden so überleben", sagt Rademacher. So deckten die öffentlichen Mittel Anfang der 1990er Jahre noch bis zu 60 Prozent der Ausgaben. Durch die Förderung können etwa Schüler aus sozial schwachen Familien Ermäßigungen bekommen. Außerdem helfen die Mittel, auch weniger nachgefragte Instrumente anzubieten. "Die Lage ist desaströs", urteilt der Generalsekretär des Deutschen Musikrates, Christian Höppner. Musikschulen seien strukturell unterfinanziert und könnten ihrem gesellschaftlichen Auftrag mancherorts nicht mehr nachkommen.

Was ist die Folge?

Zu wenig Plätze sorgten mancherorts für lange Wartelisten. Aus Sparzwang würden ausscheidende Festangestellte durch schlechter bezahlte Honorarkräfte ersetzt. "Wenn immer mehr freie Musikschullehrer ihre Familien nicht mehr ernähren können, wird der Beruf langfristig unattraktiv", warnt Rademacher. In Berlin gebe es etwa Honorarkräfte, die mit 12.000 Euro Jahresgehalt auskommen müssten, so Höppner, der selbst jahrelang eine Musikschule in der Hauptstadt geleitet hat.

Bekommen private Musikschulen auch Fördermittel?

Private Musikschulen müssen sich ohne Subventionen tragen – ungerecht, findet ihr Verband und möchte die Mittel besser verteilt sehen. "Wir haben in Deutschland ein System, in dem nicht nach bedürftigem Schüler gefördert wird, sondern nach Institution", kritisiert Müller. Der Deutsche Musikrat weist indes daraufhin, dass sich das zweigeteilte System bewährt habe: Einerseits könnten die öffentlichen Schulen allein den großen Bedarf weder decken noch finanzieren. Andererseits seien sie mit ihrer gesellschaftlichen Aufgabe besonders schützenswert, sagt Höppner. Durch die Kontrolle der Trägerkommunen sei außerdem gewährleistet, dass das Geld bei den bedürftigen Schülern ankomme und nicht in doppelten Strukturen oder privaten Gewinnspannen hängen bleibe, argumentiert Rademacher.

Vor welchen Herausforderungen stehen die Musikschulen?

Um ihrem Bildungsauftrag gerecht zu werden, müssen Musikschulen auf eine älter werdende und vielfältigere Gesellschaft reagieren. "Musikschule muss die Möglichkeit erhalten, ihre Tentakeln zu gesellschaftlichen Entwicklungen weiter ausbauen zu können", sagt Höppner. Inklusion, generationsübergreifendes Musizieren und interkultureller Dialog stehen schon seit mehreren Jahren auf der Tagesordnung der öffentlichen Einrichtungen: Mehr Schulkooperationen, mehr Stadtteilarbeit seien die Schlüssel für eine möglichst große Breitenwirkung.

(Von Florentine Dame, dpa)

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