Von Julia Tramnitz (22), Geigerin im Baltic Sea Youth Philharmonic
Dass ich als Geigerin Mitglied beim Baltic Sea Youth Philharmonic (BYP) geworden bin, war eigentlich nur Zufall. Vor etwas über einem Jahr erfuhr ich zum ersten Mal von einem Freund etwas über dieses Orchester, doch damals wusste ich noch nicht, welche besondere Rolle es in meinem Leben einmal spielen würde.
Das Baltic Sea Youth Philharmonic, liebevoll auch "BYP" genannt, bringt dreimal jährlich Musikstudenten aus den Ländern rund um die Ostsee zusammen. Unser Dirigent ist Kristjan Järvi. Einmal im Jahr – zum einwöchigen Workshop BYP LAB – sind unsere Coaches mit dabei. Sie kommen aus den verschiedensten Ländern und ihr musikalischer Alltag könnte unterschiedlicher nicht sein: Irgendwo zwischen New York und Zürich Daniel Schnyder (Komposition), Komponist und absolut dem Jazz verfallen. In der Nähe der Fjorde in Norwegen Jan Bjøranger (Violine), immer als Lehrer oder Konzertmeister unterwegs oder mit seiner kleinen musikalischen Familie dem 1B1-Ensemble. Und nicht zu vergessen Damien Bassman – New York (Schlagwerk), Paul Cortese – Spanien (Viola), Justas Kulikauskas – Litauen (Cello), Martin Kuuskmann – Estland (Holzbläser), Taneli Turunen – Finnland (Cello) und Charles DeRamus – Schweden (Kontrabass).
In unserer akademischen Ausbildung lernen wir ungemein viel über Perfektion, Interpretation, Wettbewerbe und Probespiele. Für mindestens genauso wichtig halte ich jedoch, vor allem heutzutage, auch die menschliche Entwicklung. Wir wollen nicht nur eine Gruppe von jungen Musikern sein, die zusammen auf der Bühne stehen, sondern auch Vorbild. Wir möchten den Menschen jung und alt zeigen, dass wir zusammen Musik machen, nicht unterscheiden zwischen Nation, Sprache, Kultur, Religion oder Aussehen. Wir sind ein Orchester, Menschen und Freunde auf und hinter der Bühne. Wir sind Baltic Sea!
Im BYP LAB, mit seinen kleinen Meisterkursen und Registerproben haben wir auch Seminare, in denen wir vermittelt bekommen, wie man zum Beispiel mit Kollegen oder Schülern besser umgehen und auch mal Kritik äußern kann, wie man Nervosität überwindet oder wie wir selbst unser bester Lehrer werden können. Im BYP verbinden sich nicht nur unterschiedliche Länder und Kulturen, hier trifft Jazz auf Klassik, treffen Coaches auf Studenten, Komponisten auf Orchester, Tonmeister und Produzenten auf Dirigenten. Und irgendwo mittendrin, leise und unmerkbar kann man bei genauem Hinsehen manchmal unseren Orchesterfotografen Peter Adamik sehen.
Gemeinsam arbeiten wir dann an einem Projekt, wie unserer ersten CD-Einspielung "Baltic Sea Voyage" mit Werken von Komponisten aus allen Ostseeanrainerstaaten. Für den besonderen Zugang zur Musik sorgt Kristjan Järvi. Er vermittelt uns immer wieder, wie wichtig es ist, als individueller Künstler, aber auch als Ensemble Freude an der Musik und dem Musizieren zu haben. Er regt uns an, mutig und individuell zu musizieren, zum Publikum eine persönliche Beziehung aufzubauen und musikalisch Geschichten zu erzählen. Wir wollen unseren Zuhörern dabei vor allen Dingen zeigen, wie man trotz unterschiedlicher Herkunft mit Freude an der Musik zu einem Klangkörper verschmilzt und gemeinsam musiziert. Und das lässt sich nur erleben. "Das Wichtigste steht nicht in den Noten", wie auch Gustav Mahler schon wusste.
Es gibt diese Momente als Musiker, in denen man sich vertieft in der Musik spürt und ihr bedingungslos verfallen ist. Im BYP erlebe ich sie oft gemeinsam mit 80 jungen Leuten aus zehn verschiedenen Ländern – ein nachhaltiges, positives Gefühl, auch abseits der Bühne.
Von Anfang an bin ich als Stimmführerin dabei, und während unserer Tournee spiele ich als Konzertmeisterin. In zehn Tagen und neun Konzerten kann man uns unter anderem in der Tonhalle Zürich, im NDR Sendesaal Hannover, im Konzertsaal des Dänischen Rundfunks in Kopenhagen, zur Eröffnung des 22. Usedomer Musikfestivals und im neuen Konzertsaal, der Baltischen Philharmonie in Danzig erleben.
Auf mich warten neben einem der schwersten Konzertmeistersoli wieder tolle Wochen mit Freunden, Reisen und viel guter Musik. Ich bin unglaublich froh darüber im BYP zu sein, in dem ich mich geigerisch seither unglaublich weiterentwickeln durfte, Dinge ausprobieren konnte, gefördert und gefordert wurde, mich selber ein Stück weit besser kennenlernen durfte und wirklich Freunde fürs Leben gefunden habe!
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