München – Die Bayerische Staatsoper ließ sich zur Saisoneröffnung am Samstagabend nicht lumpen: Für die Münchner szenische Erstaufführung von Arrigo Boitos "Mefistofele" bot sie ein Edel-Ensemble auf – mit dem maltesischen Startenor Joseph Calleja als "Faust", dem Bass René Pape in der Titelrolle und der lettischen Sopranistin Kristīne Opolais als Margherita.
Die Inszenierung besorgte der Berghaus-Schüler Roland Schwab, der es bei seinem Münchner Regiedebüt richtig krachen ließ und die technischen Möglichkeiten voll ausreizte. Zur Walpurgisnacht, in der Mefistofele seinem Vertragspartner Faust zeigt, wie man in der Hölle Party macht, beginnt die Riesenbühne auf mehreren Ebenen regelrecht zu tanzen. Dazu gibt es eine Light- und Feuershow fast wie bei einem "Rammstein"-Konzert.
Das düstere Endzeitspektakel mit Mefistofele als Chef einer Rockerbande, der Faust auf der Chopper zum verhängnisvollen Rendezvous mit Margherita kutschiert, spielt im leer geräumten Aluminiumgerippe eines Großraumjets. Natürlich gibt es auch die mittlerweile obligatorische Bühnenkamera. Die wagt sich sogar in die Katakomben der Unterbühne, um von dort Schwarzweiß-Bilder bleicher Untoter auf eine Großleinwand zu übertragen,
Bis zur Pause macht das alles recht viel her. Nach der Pause geht der Regie jedoch die Luft aus. Statt intelligenter Personenregie ist Rampenstehen angesagt. Dabei ist der Maghareten-Akt, in dem Opolais als mutmaßliche Mörderin von Mutter und Kind auf ihre Hinrichtung wartet, der dramatische Höhepunkt der Oper. Opolais singt die schönste Arie der Oper hinreißend. Auch Joseph Calleja betört mit tenoralem Schmelz, lässt aber jede darstellerische Feinzeichnung vermissen. René Pape gibt einen hinreichend diabolischen Mefistofele, hat jedoch mitunter Mühe, sich gegen das Orchester zu behaupten
Im Epilog, in dem Boito auch Motive von Goethes "Faust II" anklingen lässt, zieht sich Faust, der nicht nur Margherita auf dem Gewissen hat, ins Vergessen zurück und findet Unterschlupf in einer Alzheimer-WG, wo er sich in die als Pflegerin wirkende Göttin Helena verliebt. Mefistofele spielt etwas frustriert mit dem Gymnastikball und muss zusehen, wie ihm Faust, den er so glänzend manipulierte, entgleitet und er sich nach einem anderen Opfer umsehen muss.
Das Bayerische Staatsorchester nebst Staatsopern- und Kinderchor setzte unter Leitung des israelischen Dirigenten Omer Meir Wellber nur selten zu Höhenflügen an, manch lautstarke Tutti-Passage klang etwas gewaltsam. Eigentlich hätte Boitos so reiche und tiefgründige Komposition mehr musikalische Finesse verdient. Großer Premierenjubel vor allem für das Sängerteam. Bei Schwabs Erscheinen auf der Bühne entspann sich ein Bravo-Buh-Duell, das aber eindeutig zugunsten der Bravo-Rufer entschieden wurde.
(Von Georg Etscheit, dpa/MH)
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