Herheim debütiert in Hamburg mit "Figaro" voll Übermut und Ironie

16. November 2015 - 12:41 Uhr

Hamburg – Bei seinem Debüt an der Hamburgischen Staatsoper hat Regisseur Stefan Herheim am Sonntagabend einen rauschenden Premierenerfolg eingefahren. Seine Inszenierung von Mozarts "Le Nozze di Figaro" verlieh der "Komödie durch Musik" frische Strahlkraft in historischen Kostümen.

Le Nozze di Figaro

Le Nozze di Figaro

Die Überraschung beginnt bereits bei der Ouvertüre. Da rollen wie auf einem Riesen-Touchscreen gleich zum ersten Orchester-Brausen die Original-Seiten der "Figaro"-Partitur vor den Augen des Publikums ab. Das berühmteste Presto der Musikgeschichte in Mozarts lässiger Noten-Handschrift. Doch damit nicht genug. Plötzlich beginnen die Noten als muntere Animationsfiguren wild loszustürmen. Mitten hinein in Graf Almavivas Lustschloss, das aus nichts anderem besteht als lauter Mozart’schen Notenblättern.

"Figaros Hochzeit" als Klang-Raum und Wunder-Kammer, die allein aus der komplexen Musik Mozarts "gezimmert" ist. Deutlicher hätte Stefan Herheim, der nicht erst seit seiner Bayreuther "Parsifal"-Regie hochgepriesen wird, mit dem Bühnenbildner Christof Hetzer seine Leitidee kaum formulieren können. Hier ist Mozarts "Prima la musica" auf charmante Weise wirklich beim Wort genommen und mit gewitzten Volten in den Tumult um Figaros Hochzeit eingebracht.

Der Clou dabei: Herheim hat für Mozarts bittersüße "Opera buffa" alle vorschnellen politischen Bezüge beiseitegelassen und tief in die Kiste historischer Outfits gegriffen. So atmen die Perücken und Kostüme (Gesine Völlm hatte auch sie mit Noten gespickt) schieres, auf die Spitze getriebenes Rokoko, stets mit übermütigem Augenschlag und Ironie serviert. Passgenau lässt Herheim das "Figaro"-Personal nach Takt und Gestik von Mozarts Musik tänzeln und paradieren.

Das wirkt – von überdrehten Gags abgesehen – wie ein Zauberstreich, der unter Puder und Perücken plötzlich wieder Menschen wie Du und Ich zum Vorschein bringt. Zum Schluss geht der gewitzten Inszenierung freilich ein wenig die Luft aus. Der nächtliche Verkleidungsspuk verliert seinen Pfiff, der finale Akt des Verzeihens seine fragile Größe. Herheim hatte sein bestes Pulver aber auch schon zur Pause verschossen, als er das gräfliche Kartenhaus in wüstem Notenblatt-Wirbel zusammenfallen lässt. Unter den Trümmern die Sänger auf der Suche nach ihrer verlorenen Melodie.

Das Philharmonische Staatsorchester überzeugt unter Ottavio Dantones Leitung mit einem schlanken, sanften Klang. Geschmeidig reagieren die Sänger auf Herheims Konzept. Allen voran die Kampfhähne Figaro (Wilhelm Schwinghammer) und der Graf, den Kartal Karagedik mit Schmiss und Selbstironie gibt. Katerina Tretyakova singt die Susanna mit handfestem Brio, Iulia Maria Dan die Gräfin mit etwas blasser Kontur. Die junge Dorottya Lang setzt ihren Mezzo für einen hinreißenden Cherubino ein.

"Wir müssen spielen, spielen, spielen", hatte Hamburgs neuer Opernchef Georges Delnon zu Beginn als Antwort auf die Pariser Attentate gesagt. Der stürmische Schlussapplaus gibt ihm Recht.

(Von Barbara Sell, dpa/MH)

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