Dresden (MH) – Johann Adolf Hasses Oratorium "Sant’Elena al Calvario" wurde im erzkatholischen Wien von 1772 bis etwa 1800 aufgeführt. Die Erstfassung für Dresden am Karsamstag 1746 war bei dieser Wiederbelebung spannend, weil sie für die aus Machtkalkül zum Katholizismus übergetretene Hörerschaft des sächsischen Hofes bestimmt war. Die affektreiche Handlung von der Kreuzentdeckung durch Helena, die Mutter Kaiser Konstantins, und den Heiligen Macarius reflektiert die Leidensgeschichte Jesu in der Empathie der beiden Hauptfiguren und deren drei Helfern.
Václav Luks mit seinem Ensemble Collegium 1704 und Collegium Vocale 1704 brach am Freitagabend in der Dresdner Annenkirche eine nachdrückliche Lanze für die mehr als zweistündige Urfassung dieser musikalischen Propagandalegende. In deren Orchesterrezitativen hatte Hasse die Feinarbeit Glucks vorweggenommen und damit Dynamik in die Verse Pietro Metastasios gebracht. Das Oratorium ist dem spätbarocken Repräsentationsideal verpflichtet und strebt schon Richtung Vorklassik. Das kann durchaus als katholischer Gegenpol zu Bachs Passionen verstanden werden.
Collegium 1704 bannte hier mit 24-köpfigem Instrumentalensemble und achtstimmigem Chor das Risiko der Monotonie durch jene Agilität, für die es zuletzt bei Myslevečeks "L’Olimpiade" mit Ursel Herrmann gelobt wurde. An natürlicher Agogik, dynamischer Flexibilität und eindrucksvollen Figuren war der Abend reich. Details wie die in jeder Punktierung anders schattierte Abwärtsbewegung der Streicher vor der Arie Dracilianos, für die Julia Böhme einen virilen, klaren Mezzo hatte, gab es jede Minute zuhauf.
Dabei wirkten diese filigranen Wechsel immer als Bestandteil von Hasses Komposition. Luks am Pult machte begreiflich, dass der hohe Präzisionsgrad der Dresdner Hofkapelle Hasse damals nicht zu kalter, sondern empfindsamer Perfektion herausgefordert hatte.
Das wurde ermöglicht auch durch die künstlerische Intelligenz der Elena-Interpretin Anna Alàs i Jove. Sie enthüllte das im Verlauf des Abends immer reichere Farbenspiel ihres Mezzos erst in den kontrastierenden Charakteren der drei großen Arien und ausgedehnten Rezitativreden. Diktion und Energie waren profund aus der Mittellage mit beträchtlichem Belcanto-Potential entwickelt. Dagegen hatte es Václav Čížek Aco Bišćević als San Macario schwer – sein leichter Tenor versank im eigenen Einheitslegato. Erst im späten Duett überwand Olga Jelínková die Monotonie ihres Parts mit sanftem Leuchten in den Koloraturen. Kamila Mazalová war der dritte, lyrisch-zuverlässige Part in der Mezzo-Runde.
(Von Roland H. Dippel)
Berichtigung (23.11.2015 – 13:09 Uhr): Im letzten Absatz: Für den erkrankten Václav Čížek war Aco Bišćević eingesprungen.
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