Duisburg – Die "Turandot"-Inszenierung der Deutschen Oper am Rhein begann am Samstagabend mit aktuellen Bezügen. Doch dann wurde Giacomo Puccinis Oper zum gewohnten Kostümstück – auch wenn Kaiser Altoum als Puccini auftrat. Das Premierenpublikum im Theater Duisburg applaudierte anhaltend, aber nicht stürmisch.
Noch bevor der erste Ton der Oper erklingt, erinnern Dokumentar-Videos an politische Konflikte der jüngsten Vergangenheit in Fernost. Wie ein Stummfilmtitel wird "Year 2014" eingeblendet und verweist damit auf die Hongkonger Regenschirmproteste im September 2014. Nächtliche Panoramen einer asiatischen Millionen-Metropole stimmen zudem ganz auf die Gegenwart ein.
Regisseur Huan-Hsiung Li hatte angekündigt, das Märchen über die chinesische Prinzessin Turandot als Parabel auf den Aufstieg Chinas und die Opfer dieser rasanten Entwicklung zu zeigen. Der in Taiwan geborene Regisseur und sein Team arbeiten zum ersten Mal in Westeuropa. Rheinoper-Intendant Christoph Meyer sicherte sich mit dieser Inszenierung eine Koproduktion mit dem National Kaohsiung Center for the Arts (Weiwuying). Mit dieser "Turandot" soll 2017 ein neues Kulturzentrum in Taiwan eröffnet werden.
Der Bezug zur Gegenwart beschränkt sich in der Inszenierung tatsächlich aber nur auf den stummen Vorspann und einige weitere Video-Einspielungen. Ansonsten wird Kostümtheater geboten – abgesehen von wenigen Brechungen, etwa wenn Kaiser Altoum (Bruce Rankin) als Puccini oder eine dazu erfundene Tänzerin im weißen Kleid auftreten.
Kaum erklingt der erste Ton, erscheint ein traditionell ausstaffierter Mandarin. Der Gazevorhang fährt hoch und gibt den Blick frei auf die typische Silhouette einer alten asiatischen Stadt, die sich wie ein Scherenschnitt vor dem Rundhorizont des Bühnenhintergrunds abhebt. Der Chor tritt auf in üppigen historischen Kostümen und Masken, die einzige Brücke zur Gegenwart sind die Regenschirme. Den Chorszenen ist anzusehen, dass Regisseur Huan-Hsiung Li eher vom Musical her kommt, denn Gesten und Haltungen des Chors wirken mehr choreographiert als inszeniert.
In keiner von Giacomo Puccinis Opern drängt sich das Lokalkolorit so stark auf wie in "Turandot". Denn das märchenhafte China vergangener Zeiten bildet nicht nur die exotische Kulisse, unüberhörbare Anleihen aus Fernost finden sich auch in der Partitur. Da war in Düsseldorf die Verführung groß, mit der Verpflichtung eines asiatischen Teams authentisches Flair bieten zu wollen.
Musikalisch fällt die Bilanz des Abends durchwachsen aus: Axel Kober peitscht die Duisburger Philharmoniker zu überwiegend lautem Breitwand-Sound auf, das sinnlich feine Puccini-Parfüm geht dabei verloren. Aufhorchen lassen eher die kleineren Rollen wie Britta Keles Liu oder das Minister-Trio mit der einzigen echten Puccini-Stimme des Abends: Bogdan Baciu als Ping.
(Von Constanze Schmidt, dpa/MH)
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