Berlin – Mit zehn komponierte er seine ersten Lieder. Mit zwanzig begleitete er den Jahrhundertsänger Dietrich Fischer-Dieskau als Konzertpianist. Und als seine erste Oper "Ein Traumspiel" Uraufführung erlebte, war er noch keine dreißig: Längst ist Aribert Reimann einer der wichtigsten und meistgespielten zeitgenössischen Komponisten. Am (heutigen) Freitag feiert der gebürtige Berliner 80. Geburtstag. Das Deutsche Symphonie-Orchester widmet ihm dazu gleich drei Konzerte.
Zeitlebens hat sich Reimann dem "Zwang der Avantgarde" widersetzt und jenseits von Trends und Zeitgeist eine besondere Musiksprache entwickelt. "Ich habe immer versucht, meinen eigenen Weg zu gehen und meinen eigenen Stil zu finden", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. "Man muss sich selbst treu bleiben." Die Jury des renommierten Ernst von Siemens Musikpreises nannte ihn 2011 bei der Auszeichnung für sein Lebenswerk den "unumstrittenen Meister der Vokalmusik".
Die Liebe zum Gesang hat den 1936 geborenen Künstlersohn von früh auf geprägt. Sein Vater baute nach dem Krieg als Direktor den Staats- und Domchor Berlin auf, seine Mutter hatte eine Professur für Sologesang. Als der Zehnjährige im Berliner Hebbel-Theater erstmals die Knabenrolle in Bertolt Brechts Oper "Der Jasager" sang, verlor er sein Herz ans Bühnenleben. "Ich wusste, irgendwann komme ich wieder. Ich wusste nur noch nicht, wie."
Mehr als 70 Musikwerke sind seither entstanden – Liederzyklen, Instrumentalstücke, Orchesterwerke und inzwischen acht Opern. Seinen größten Erfolg feierte er mit der 1978 in München uraufgeführten Oper "Lear", die er "seinem" Bariton Fischer-Dieskau auf den Leib geschrieben hatte. Weltweit entstanden mehr als 25 Neuinszenierungen.
2010 folgte mit der Vertonung des Flüchtlingsdramas "Medea" nach dem gleichnamigen Schauspiel von Franz Grillparzer der weibliche Gegenentwurf zum Shakespeareschen Königsdrama. Seine Libretti schreibt sich der Komponist seit langem selbst. "Ich möchte die Menschen ein bisschen aufrütteln", sagt er. "Auch bei älteren Stoffen ist mir ein Zeitbezug immer wichtig. Sie müssen uns noch heute etwas angehen."
Ihm selbst ist die Oper "Troades" nach einem Drama von Euripides ein besonderes Anliegen, die 1986 die Münchner Opernfestspiele eröffnete. Im Krieg war er mit Bombenangriffen aufgewachsen, hatte als Achtjähriger so seinen Bruder verloren und 1945 die "Nacht von Potsdam" erlebt. "Mein größter Wunsch war immer, eine Oper gegen den Krieg zu schreiben. Und jetzt, 30 Jahre später, holt einen das ein", sagt er mit Blick auf die Weltlage.
Seinen "zweiten Beruf" als Liedbegleiter (neben Fischer-Dieskau vor allem für die Mezzosopranistin Brigitte Fassbaender) gab Reimann in den 90er Jahren auf. Bis zu seiner Pensionierung blieb er aber – zunächst in Hamburg, dann in Berlin – Professor für das zeitgenössische Lied. Sängerinnen wie Claudia Barainsky, Christine Schäfer oder die im Dezember viel zu früh verstorbene Stella Doufexis kommen aus seinen Klassen.
Derzeit arbeitet Reimann in seiner langjährigen Wohnung im ruhigen Stadtteil Schmargendorf an seiner neunten Oper, die 2017 in Berlin vorgestellt werden soll. "Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen komisch", sagt er, "aber eigentlich bin ich bis 2018 schon total ausgebucht. Ich kann mir auch ein Leben ohne Komponieren nicht vorstellen. Das ist mein Lebenselixier."
(Von Nada Weigelt, dpa/MH)
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