Dresden – Sängerisches Gipfeltreffen in der Semperoper: Die russische Sopranistin Anna Netrebko und der polnische Tenor Piotr Beczala haben ihre Rollendebüts in Richard Wagners "Lohengrin" in der Semperoper Dresden mit Bravour gemeistert und sind vom Publikum geradezu frenetisch gefeiert worden. Das gilt auch für die anderen Hauptakteure des Donnerstagabends – Evelyn Herlitzius (Ortrud), Tomasz Konieczny (Telramund), Georg Zeppenfeld (Heinrich) und den musikalischen Leiter Christian Thielemann, der am Pult der Staatskapelle Dresden das einst von Wagner als "Wunderharfe" bezeichnete Orchester zu Höchstleistungen trieb.
Das Debüt von Netrebko als Elsa war von der Fachwelt und Fans gleichermaßen mit Spannung erwartet worden. Denn die Russin etabliert sich damit im lyrisch-dramatischen Stimmfach. Auch für den international begehrten Piotr Beczala war die Partie des Schwanenritters "Lohengrin" eine Premiere. Kartenwünsche aus aller Welt waren für die vier angesetzten Repertoirevorstellungen eingetroffen, die Semperoper hätte den "Lohengrin" vermutlich einen Monat lang vor ausverkauftem Haus spielen können. Bis zuletzt wurde auch im Internet fleißig um Tickets mitgeboten. Noch am Mittwoch sollen für Eintrittskarten im vierten Rang 860 Euro verlangt worden sein.
Abseits von allem Glamour bewegte die Musikfans vor allem die Frage, wie Netrebko die Rolle sprachlich meistert. Akribisch hatte sie sich auf ihre erste deutschsprachige Partie vorbereitet und brillierte selbst hier: Denn ihre Stimme besaß nicht nur den erwarteten Wohlklang, sondern auch eine hohe Textverständlichkeit – was bei Wagner-Sopranen nicht zwingend vorauszusetzen ist. Sie habe lange nicht glauben können, dass sie Wagner singen könne, bekannte Netrebko in einem Interview des Senders MDR Sachsen, der einzigen medialen Wortmeldung zu ihrem Auftritt während der Dresdner Probentage: "Aber jetzt die Rolle der Elsa – das ist mein Ein und Alles."
Nebenbei gab sie auch Einblick in ihre Arbeitsweise: "Normalerweise brauche ich zur Vorbereitung einer Oper zwei Wochen. Ich bin da ziemlich fix. Aber jetzt habe ich mir anderthalb Monate Zeit genommen, um die Elsa einzustudieren." In Dresden habe sie täglich stundenlang mit voller Intensität gesungen: "Das ermüdet natürlich, aber meine Stimme parierte trotzdem, denn Wagners Musik ist gut für die Stimme – für meine jedenfalls." Als sie am Donnerstag nach der Vorstellung auf der Bühne stand, wirkte Netrebko überglücklich. Sie lachte, winkte und warf dem Publikum Kusshände zu. Zwischen vielen Blumen flog irgendwann auch ein Plüsch-Schwan für sie auf die Bühne.
(Von Jörg Schurig, dpa/MH)
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