Heidenheimer "Bohème" ein klangvolles Puccini-Fest mit unschlüssiger Regie

09. Juli 2016 - 11:04 Uhr

Heidenheim (MH) – Ein Hauch von glitzerndem "Holiday on Ice", unstete Videoprojektionen und eine Personenregie, die bilderbogenartig Szenen aneinander reiht. Bei der Premiere von "La Bohème" als Auftakt der Opernfestspiele Heidenheim am Freitagabend war die Inszenierungsleistung dramaturgisch deutlich unschlüssiger als die musikalische des Ensembles unter Leitung von Marcus Bosch.

“La Bohème”

“La Bohème”

Regisseurin Petra Luisa Meyer hat die Idee, Marcello die Handlung als Beobachter verfolgen zu lassen und zeigt ihn deswegen zum Auftakt als lebensmüden Pulsadernritzer. Es ist ein verkrampfter Versuch, von Puccinis Blockbuster eine neue Seite zu zeigen – allerdings gibt das Stück diese Seite nicht her. So wirkt das Geschehen komplizierter, ohne dass das Publikum irgendeine Erkenntnis gewinnt. Auch die zerfahrenden Videoprojektionen im letzten Akt bringen eher weniger als mehr Atmosphäre oder Einsicht.

Abgesehen von der Grundkonzeption bietet die "Bohème" im Open-Air-"Rittersaal" der malerischen Burgruine immer wieder auch munteres, humorvolles Musiktheater. Die vier Künstlerfreunde Rodolfo, Marcello, Schaunard und Colline versuchen ihr Pariser Dasein fröhlich zu meistern, Situationskomik sorgt für manches Schmunzeln. "Holiday on-Ice"-Optik schmückt das Café Momus im zweiten Akt, es weihnachtet auf der Bühne samt weißen Pelzjäckchen und Glitzerschneestiefeln. Warum nun später auf der Bühne noch Eishockey gespielt werden muss – manche Szenen wären mit weniger Aktion ausdrucksvoller.

In seltsamem Gegensatz zu eindimensionalen Bildern auf der Bühne steht das Musikalische. Erstaunlich gut ist die Akustik dieses Heidenheimer Rittersaals unter baden-württembergischem Sternenhimmel. Wenn dann Marcus Bosch großes Drama ebenso überzeugend ertönen lässt wie er den Stuttgarter Philharmonikern kleine feine Details entlockt, ist man von Puccini verzaubert, zumal durchweg auch alle Sänger überzeugen. Strahlend tenoral Jesus Garcia als Rodolfo und Antonio Yang als Marcello. Stefania Dovhan gibt eine differenzierte Mimi und Michaela Maria Mayer eine leichtfüßige Musetta mit sensiblen Momenten. Florian Goetz ist ein spielfreudiger Schaunard, Randall Jakobsh als Colline unverwechselbar. So entstehen nachhaltige musikalische Momente, ein klangvolles Puccini-Fest.

Die Opernfestspiele Heidenheim spielen diese "Bohème"- Produktion noch sieben Mal bis zum 3. August, bevor mit der "Oberto"-Premiere am 4. August eine neue Reihe mit Verdis Frühwerken beginnt.

(Von Martina Kausch)

(Offenlegung: Der Aufenthalt unserer Mitarbeiterin wurde unterstützt von Festival und Kulturbüro der Stadt Heidenheim.)

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