Frankfurt am Main (MH) – Die Multi-Media-Oper "The Cave" von Steve Reich erlebte am Freitagabend ihre Frankfurter Erstaufführung. Das dreiteilige, dokumentarische Bibel-Oratorium unter der Leitung des US-Dirigenten Brad Lubman wurde vom Publikum im Bockenheimer Depot interessiert aufgenommen.
In dem Werk untersucht der subtile Minimalist Reich zusammen mit seiner Frau Beryl Korot, die als Pionierin der Videokunst gilt, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der drei Weltreligionen in Bezug auf die Gestalt Abrahams und seiner Nachfahren. Dabei faszinierte auch 23 Jahre nach der Uraufführung der kleinteilig auf die Sprache reagierende, repetitive Sog von Reichs Klangsprache. Mit überwältigender Präzision wurde sie von den 20 Musikern des Ensemble Modern dargeboten. Das war insofern keine Überraschung, als den Frankfurter Klangkörper mit dem New Yorker Komponisten eine langjährige Freundschaft verbindet. Und mit Lubman am Dirigentenpult hatte man einen weiteren Reich-Spezialisten engagiert, dessen Einspielungen mit Werken des einstigen Minimalisten preisgekrönt wurden.
Auf fünf Leinwänden sieht man im alten Frankfurter Eisenbahndepot Video-Schnipsel von Interviews, die Korot und Reich als eine Art Bibel-Quiz mit Israelis, Palästinensern und Amerikanern geführt haben. Sie befragen unterschiedlichste Menschen, was ihnen zu den Personen Abraham, seiner Frau Sarah, Hagar (seiner ägyptischen Zweitfrau) und seinen Söhnen Ismael und Isaak einfällt. Korot lässt ihre ebenso vielfältigen wie kontroversen Antworten auf den Großleinwänden simultan zerschnitten aufblitzen und mixt die Gesichter der Befragten mit den Fragen und Antworten in mehreren Sprachen. Dabei ist es auch heute interessant zu sehen, wie ernsthaft die jüdisch-arabischen Antworten ausfallen, während die Amerikaner ahnungslos bis naiv wirken. So kann ein junger Hopi-Indianer gar nichts mit dem Namen Abraham anfangen, ein anderer glaubt, der von Abraham verstoßene Sohn Ismael sei der "James Dean des Alten Testaments".
Steve Reich komponiert dazu seine Minimalismen getreu der Auffassung: Am Anfang war das Wort. Inspiriert von der jeweils ganz individuellen Sprachmelodie verwendet er eine Besetzung aus Schlagzeug, Streichquartett, Holzbläsern, Computern und vier vibratolosen Stimmen. Im jüdischen Teil sind die rhythmischen Phasen sehr kurz, der zweite Akt wird vom leidenschaftlichen Koransänger der Jerusalemer Al-Aqsa-Moschee dominiert und die Video-Oper klingt mit dem amerikanischen, dritten Teil heiter bis hymnisch aus.
Während die nach wie vor spannende Erkenntnis der gemeinsamen religiösen Vorfahren von Muslimen, Juden und Christen nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat, ist der damals wohl spektakuläre Mix aus Videokunst und Minimal Musik in unserer heutigen, bilderüberfluteten Welt nicht mehr der letzte Schrei. Und das ließ sich klar am Schlussapplaus ablesen: Der fiel freundlich interessiert aus, aber keinesfalls begeistert.
(Von Bettina Boyens)
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