Hamburg – Der katalanische Opern-Regisseur Calixto Bieito ist berühmt und berüchtigt für seine exzessiven Sex- und Gewalt-Szenarien auf dem internationalen Musiktheater-Parkett. Am Sonntagabend hat der 53-Jährige seine vor zwei Jahren für Basel geschaffene Version von Verdis Oper "Otello" in Hamburg herausgebracht. Während die Musiker einhelligen Beifall bekamen, gab es für Bieito und sein Team neben Applaus auch starke Buhs.
Bieito hatte Verdis düsteres Eifersuchts- und Intrigendrama auf ein leeres, dunkles Hafen-Gelände verlegt, das einzig von einem giftgelben Kran beherrscht war. Diesen Kran hatte man für die ungleich größere Hamburger Opernbühne völlig neu und monumentaler aufbauen müssen. Doch so machte das monströse Ende von Desdemona und Otello (hier einmal ohne aufgeschminkte Mohren-Schwärze) im hohen Gestänge des Vier-Tonnen-Kolosses umso mächtigeren Eindruck.
Die Figur des siegreichen venezianischen Feldherrn Otello, den Misstrauen und Minderwertigkeitsgefühle zum Würge-Mord an seiner Frau Desdemona verführen, war dabei krass aber durchaus logisch von Beginn an auf krankhaft explosive Gewalttätigkeit ausgelegt. Ein berserkerhafter Zerstörer, der seelisch bereits völlig zerstört ist, ehe er hoch oben im Metall-Geäst des bis ins Parkett ausgefahrenen Kran-Arms an einem Herzinfarkt stirbt.
Bieito aktualisierte seine "Otello"-Inszenierung mit Boat People, die in der eröffnenden Sturmszene gefesselt in ein Stacheldraht-Verhau gepfercht und beim Sieges-Gelage der Venezianer zynisch mit Champagner überschüttet wurden. Brutalität allerorten. Doch diese Aktionen des übrigens hervorragend singenden Chors wirkten eher plakativ als sinnstiftend oder gar provokant.
Fesselnder gelang dem Regisseur das rigorose, aber in sich doch stimmige Psychogramm der Hauptfiguren, die allesamt als trostlos Isolierte im schwarzen Hafen-Rund erschienen. Der mit metallischem Glanz bezwingende italienische Tenor Marco Berti (eingesprungen für den erkrankten Carlo Ventre) lieferte sich als Otello mit dem äußerst geschmeidigen Bariton Claudio Sgura als aalglatt infamem Intriganten Jago nicht nur sängerisch packende Duelle.
Dritte im tödlichen Bund war die junge, mit kraftvoll strahlender Simme agierende russische Sopranistin Svetlana Aksenova, die als Desdemona hier ihr bewundertes Hamburg-Debüt gab. Zu leiseren, innigeren Tönen fand sie allerdings erst im letzten Akt. Das Philharmonische Staatsorchester spielte unter Paolo Carignanis schwungvollem Dirigat die tragisch glühende Musik Verdis spannungsvoll und ausdruckssatt, mitunter auch knallig laut.
(Von Barbara Sell, dpa/MH)
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