Krieg in der Traumwelt: "King Arthur" an Staatsoper Berlin

16. Januar 2017 - 12:31 Uhr

Berlin (MH) – Steil hat sich ein abgeschossener britischer Kampfjet in den Bühnenboden gebohrt. Um das Flugzeug herum tummeln sich allerhand bunte Sagengestalten. In Henry Purcells Semi-Oper "King Arthur" ziehen Britanniens mythenumwobener König Artus und Sachsenkönig Oswald gegeneinander in den Krieg. Wie so oft geht es auch hier nicht nur um politische Macht, sondern auch um Liebe. Denn beide sind für die schöne, blinde Prinzessin Emmeline entflammt.

"King Arthur"

"King Arthur"

Bei der Neuinszenierung, die am Sonntagabend an der Berliner Staatsoper im Schiller Theater Premiere feierte, haben die Regisseure Sven-Eric Bechtolf und Julian Crouch die Artus-Legende mit einer Rahmenhandlung verknüpft, die im Zweiten Weltkrieg spielt. Der achtjährige Arthur, dessen Vater als Soldat umkam, erhält von seinem Großvater ein Sagenbuch geschenkt. Ähnlich wie in Tschaikowskys "Nussknacker" träumt sich das Kind in eine Fantasiewelt hinein. Auf der einfallsreich gestalteten Bühne, deren Dekor teils an Märchenbuchillustrationen erinnert, sind beide Zeitebenen eng miteinander verflochten.

Die Neubearbeitung von Purcells Gesamtkunstwerk, in dem sich Sprechtheater turbulent mit revueartig präsentierten Gesangs- und Instrumentalnummern verbindet, ist hier auf gut drei Stunden angelegt. Ursprünglich dauerte die Aufführung sogar fünf Stunden, wobei das damalige Publikum zwischendurch speisen konnte. In den Hauptrollen sind bekannte Bühnenschauspieler zu erleben, etwa Michael Rotschopf als König Arthur und Hans-Michael Rehberg als sein Zauberer Merlin. Bechtolf, bis zum vergangenen Sommer Schauspieldirektor und künstlerischer Leiter der Salzburger Festspiele, hat John Drydens Text gekürzt, modernisiert und um etliche ironische Pointen bereichert. So sind vor allem die Auftritte von Oswalds Zauberer Osmond (Oliver Stokowski), der Emmeline (Meike Droste) in seine Gewalt bringt, reich an Situationskomik.

Den Sängern teilt Purcell in seiner Semi-Oper jeweils mehrere Nebenrollen zu. Deren Partien werden – im Gegensatz zum deutschen Sprechtext – im englischen Original vorgetragen. Vielseitig präsentiert sich etwa die brillante Sopranistin Anett Fritsch. Als Cupido schwebt sie vom Bühnenhimmel ein, um die im Winter vor Kälte erstarrten Herzen der Menschen zu erwärmen. In der berühmten "Frost Scene" scheucht Cupido den Cold Genius aus seinem Winterschlaf auf. Ausdrucksstark interpretiert der norwegische Bass Johannes Weisser die im Staccato vorgetragene Arie "What power art though", die Anfang der 1980er Jahre durch den Countertenor Klaus Nomi auch in der Popszene zum Hit wurde. Die Sopranistin Robin Johannsen (She) und der Countertenor Bruno Benno Schachtner (He) berühren das Publikum mit ihrem melancholischen Duett "You say 'tis love".

Großes Lob verdient nicht zuletzt René Jacobs am Pult der Akademie für Alte Musik Berlin, die Purcells Musik plastisch und farbenreich wiedererstehen lässt. Um die Spannung auch während längerer Sprechdialoge aufrecht zu erhalten, kommen "Background-Musiken" aus Purcells kammermusikalischem Werk hinzu, etwa Gambenfantasien und Pavanen. Am Ende erhalten die Solisten, das Spezialensemble, der Staatsopernchor und das Skills Ensemble sowie das Regieteam für ihre Mammutleistung stürmischen Applaus.

(Von Corina Kolbe)

Berichtigung (16.01.2017 – 14:13 Uhr): Im letzten Satz des vierten Absatzes muss es Benno heißen (nicht: Bruno).

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