Oper Frankfurt zeigt düsteren Rigoletto

20. März 2017 - 12:15 Uhr

Frankfurt am Main (MH) – Am Frankfurter Opernhaus machte Quinn Kelsey seinen hasserfüllten Rigoletto zum überwältigenden Ereignis des Abends. Chor und Orchester stemmten unter Carlo Montanaro einen elektrisierenden Verdi auf die Bühne. Und Brenda Rae als Gilda spendete als zartes Licht einzig Trost in einer dunklen Lack-und-Leder-Männerwelt, die keine Moral und keine Werte mehr kennt. Für diese gut begründbare Deutung von Verdis dunkelster Oper musste Regisseur Hendrik Müller am Sonntagabend neben hellem Beifall auch kräftige Buhrufe des Publikums ertragen.

"Rigoletto"

"Rigoletto"

Müllers klare Deutung beginnt bereits bildmächtig in der Ouvertüre. Da betet Rigoletto, im schwarzen Gewand samt dunkler Halskrause und zweigeteiltem Bischofshut, weiß gepudertem Gesicht und dunkel umrahmten Augen vor einem Hausaltar mit Madonnenbild. Langsam wendet er sich um, nimmt das Bild aus der Umrahmung und steckt es sich gefräßig in den Mund. Damit zeigt der Regisseur, dass er der üblichen, auch von Giuseppe Verdi selbst in Briefen dokumentierten Sicht zutiefst misstraut, mit Rigoletto habe der Komponist hinter der Maske des sarkastisch lächelnden Hofnarren einen treusorgenden, liebevollen Papa beschreiben wollen, der für die Ehre seiner Tochter das Himmelreich opfern würde. In Frankfurt ist Rigoletto selbst ein übler Charakter und bedeutender Teil der selbstsüchtigen, auf den Augenblick bedachten Lustwelt des Herzogs von Mantua. Mit seiner einst im Kloster, jetzt in einer Art gläsernen Schneewittchensarg abgeschirmten Tochter Gilda versucht er nur sein Gewissen rein zu halten: mit tiefer Zuneigung hat diese madonnengleiche Überhöhung nichts gemein. Müller misstraut auch klug der saftig von Verdi aufgetragenen Opferrolle des buckligen Hofnarren. Nicht der Fluch des Grafen von Monterone tötet seine Tochter, sondern einzig der von ihm selbst mit Sparafucile angezettelte Racheplan am frauenverschleißenden Herzog.

Diese eigenwillige Perspektive überzeugte in ihrer sorgsam inszenierten Deutlichkeit auf ganzer Linie, trotz der damit verbundenen, geringeren Fallhöhe Rigolettos und trotz des trüben Blicks in eine durch und durch verachtenswerte Machtwelt. Im Gegenteil: Am Ende, wenn der entsetzte Rigoletto, einsam wie nie, sogar von seiner sterbenden Tochter verlassen wird, tat das der tiefen Empathie für den gefallenen Buckligen keinen Abbruch.

Großartig in seiner Bosheit auch das Einheitsbühnenbild von Rifail Ajdarpasic, der für die gelangweilte, auf Demütigungen basierende Sado-Maso-Welt des Herzogs von Mantua, eine gotisch zugespitze Kathedrale der Verachtung errichtet hat; voll mit Menschenkäfigen für die weiblichen Opfer und Mafia-Outfits für den testosterongetriebenen Hofstaat (mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitete Kostüme von Katharina Weissenborn).

Neben der baritonalen Urgewalt von Quinn Kelsey in der Titelpartie meisterte Ensemblemitglied Brenda Rae ihr Debüt als Gilda mit Riesenvolumen in den schwierigen Höhen und filigran girrender Raffinesse in den drei Duetten mit dem besitzergreifenden Vater. Frankfurt-Debütant Önay Köse wuchtete einen etwas zu eindimensionalen Sparafucile auf die Bühne, während die Maddalena von Ewa Płonka nicht nur mit ihrem warmen Mezzo, sondern auch mittels sanft glitzernder Bosheit überzeugen konnte.

Die Männerhorden der Chöre hatte Markus Ehmann bestens präpariert und trug damit ebenso zum furiosen Gelingen des Abends bei, wie der bewundernswert umsichtig und zugleich leidenschaftlich das Orchester führende Carlo Montanaro. Einzig der Tenor Mario Changs als Herzog von Mantua wirkte selbst bei der munteren "La donna è mobile"-Arie enghalsig und angestrengt und konnte damit die Behauptung als frauenverachtender Superschurke nicht glaubhaft einlösen.

(Von Bettina Boyens)

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