München (MH) – Tannhäuser? Die längste Zeit hat das, was in der Neuinszenierung auf der Münchner Staatsopernbühne von sich geht, mit Wagners Sängerkrieg-auf-der-Wartburg- Geschichte wenig bis nichts zu tun. Am Sonntag hatte die Neuproduktion Premiere.
Eine XXXXXL- Venus, deren schwabbelige Unformen fließend in den (Venus?-)Berg aus hautfarbener Glitsch-und Schmiermasse übergehen. Ein Tannhäuser, der als erste Bühnentat eine sicher zwölf Meter hohe Kletterwand erklimmen muss. Ein Opernballett, das vom ersten Ouvertürenton an als synchrone Bogenschießtruppe im Zen-Look eine Augen- und später Ohrenzielscheibe beschießt. Ein Pilgerchor, der ein Riesengoldnugget mit sich schleppt. Romeo Castellucci entwirft in seiner ersten Regiearbeit für die Bayerische Staatsoper Richard Wagners "Tannhäuser" als ein düsteres Drama voller Symbole und Anspielungen in einer zenklosterähnlichen Optik. Es gibt faszinierend-abstoßende Bilder, sozusagen sichtbar gewordene Vorschläge, über Ästhetik nachzudenken. Sehr interessant, sehr selbstbewusst, für Wagners Tannhäuser in den meisten Szenen ungeeignet. Geradezu phobisch werden christliche Symbole vermieden, aber ohne die ist die Geschichte, die spezielle Erlösungsidee, in der Papst, eine Heilige (Elisabeth) und christliche Pilger eine tragende Rolle spielen, nicht zu verstehen – und optisch nicht begreifbar.
Also fragt man sich, warum ein Regisseur nicht selber ein Stück schreibt (oder eine Oper) und das dann auf die Bühne bringt. Castellucci würde es faszinierend gestalten, er ist zweifelsohne mehr ein Mann der Bilder und des Wortes als der Musik. Bei einer Operninszenierung reicht es einfach nicht, ein Ballett bei jedem Akkord Bogenschüsse abgeben und immer wieder elegantaussehende Wendungen vollführen zu lassen.
Uneingeschränkt jubeln und sich freuen muss man sich dagegen über Kirill Petrenkos ersten "Tannhäuser". Welch Finesse, welche ziselierten Betonungen, welch großes Drama im Bayerischen Staatsorchester! Musikalisch ist dieser Tannhäuser ein Ereignis, voller atemberaubender Momente, mit wundervollem "Abendsternlied" und fantastischer "Romerzählung".
Klaus Florian Vogt begann seltsam kurzatmig – geschuldet dem Venusberg? – im dritten Akt entwickelte er das Psychogramm der Rolle dann stimmlich und auch darstellerisch großartig. Seine Stimme ist mittlerweile viel wandelbarer und dramatischer geworden, sie klingt einfach schön. Christian Gerhaher ist als Sänger und Freund Wolfram von Eschenbach eine Idealbesetzung, über die vielbejubelte Anja Harteros als Elisabeth kann man diskutieren. Für eine junge Liebende ist ihr Sopran zu selten leicht geführt. Elena Pankratova ist eine überzeugende Venus, die "Sängerkrieger" Dean Power als Walther, Ulrich Reß als Heinrich und Ralf Lukas als Reinmar sind markant und überzeugend.
(Von Martina Kausch)
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