Gohrisch – Die Internationalen Schostakowitsch-Tage Gohrisch (Sächsische Schweiz) bleiben ihrem Ruf als musikalische Schatzgrube treu. Bei der 9. Ausgabe des Festivals gibt es vom (heutigen) Freitag an bis Sonntag drei Uraufführungen und drei deutsche Erstaufführungen. Ein Werk stammt von Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) selbst, der zwei Mal zur Erholung in Gohrisch war und dort auch arbeitete. Das Impromptu für Viola und Klavier wurde erst vor kurzem in einem Archiv in Moskau gefunden. Mit Uraufführungen sind zudem die polnischen Komponisten Krzysztof Penderecki und Krzysztof Meyer vertreten. Die Erstaufführungen betreffen Werke von Strawinsky, Mahler und Honegger, die Schostakowitsch für Klavier bearbeitet hatte.
Tobias Niederschlag, Künstlerischer Leiter des Festivals, kann sich über mangelnde Nachfrage nicht beklagen. Das Eröffnungskonzert in der Konzertscheune ist ausverkauft. Für andere Auftritte gibt es immerhin noch Restkarten. Schostakowitschs Witwe Irina ist als Schirmherrn vor Ort, genau wie Penderecki, Meyer und das Lutoslawski Quartett. Schließlich steht das Festival 2018 unter dem Motto "Schostakowitsch und die polnische Moderne". Klangvolle Namen gibt es auch bei den Interpreten. Der russische Dirigent Juri Temirkanow leitete bereits am Donnerstag in Dresden ein Sonderkonzert der Sächsischen Staatskapelle. Der russische Pianist Denis Matsuev will in Gohrisch unter anderem über Themen von Schostakowitsch improvisieren.
Niederschlag führt das ungebremste Interesse an Schostakowitsch vor allem auf die Qualität seiner Musik zurück. "Sie hat eine starke Emotionalität und erreicht auch jene Hörer, die den historischen Kontext der Entstehungszeit vielleicht nicht so gut kennen." Der Musikwissenschaftler erinnert daran, dass die "Leningrader Sinfonie" des Komponisten während des Zweiten Weltkrieges in den USA ebenso wie in der Sowjetunion aufgeführt wurde. Auch später habe man seine Werke in West und Ost gespielt, als Folge des Kalten Krieges sei er im Westen aber häufig misstrauisch betrachtet worden: "Das änderte sich erst mit Erscheinen seiner Memoiren 1979. Sie halfen dabei, einen anderen Blick auf Leben und Werk Schostakowitschs zu entwickeln."
Schostakowitsch hatte 1960 in Gohrisch sein 8. Streichquartett komponiert. Es gilt als seine persönliche Abrechnung mit Stalin und eines der zentralen Kammermusikwerke des 20. Jahrhunderts. In Gohrisch befand sich früher ein Gästehaus des DDR-Ministerrates. Dort machten neben Staatsführern auch Künstler und Geschäftsleute Urlaub. Schostakowitsch erholte sich zwei Mal in der idyllischen Landschaft. Seit 2010 widmen sich die Schostakowitsch-Tage mit wechselnden Schwerpunkten dem Schaffen des Komponisten und seinem Einfluss auf andere. Das Festival ist inzwischen überregional bekannt und zieht auch Publikum aus dem Ausland an. Musiziert wird hier unkonventionell in einer "Konzertscheune", manchmal aber auch in Feld und Flur.
(dpa/MH)
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