Sopranistin Anja Harteros: "Die Bedingungen in Bayreuth sind speziell"

25. Juli 2018 - 09:30 Uhr

Bayreuth – Ihre Stimme beeindruckt Kritiker und Publikum gleichermaßen. Am (heutigen) Mittwoch debütiert Anja Harteros (46) bei den Bayreuther Festspielen – als Elsa in der Richard-Wagner-Oper "Lohengrin" zur Eröffnung des Festivals. Im Interview spricht die Sopranistin über ihr Verhältnis zu Richard Wagner und erklärt, warum sie nur noch in Europa auftritt.

Frage: Frau Harteros, Sie geben in diesem Jahr Ihr Bayreuth-Debüt. Die Inszenierung bildet den Auftakt der diesjährigen Festspiele. Macht Sie das sehr nervös – oder sehen Sie diesem Auftritt wie jedem anderen entgegen?

Anja Harteros

Anja Harteros

Antwort: Man sollte das zwar nicht überbewerten, aber es ist schon etwas Besonderes: Die Eröffnungspremiere und gleichzeitig mein Debüt in diesem Haus. Natürlich hat Bayreuth diese ganz spezielle Stimmung – die ich allerdings nur aus den Medien kenne. Ich selbst war bisher noch nie zu Gast. Das Haus kenne ich nur aus meiner Schulzeit, da haben wir mal einen Ausflug dahin gemacht und eine Führung bekommen. Bei einer Aufführung war ich allerdings noch nie.

Frage: Warum nicht? Interessiert Sie Wagner nicht so sehr?

Antwort: Doch, Wagner interessiert mich sehr. Ich habe mir aber nie gesagt, dass ich unbedingt in Bayreuth auftreten muss. Zumal auch die Bedingungen in Bayreuth speziell sind. An anderen Theatern kann man mehr Geld verdienen und man ist auch bei den Proben etwas flexibler. Dazu kommt, dass ich bei den Festspielen in München immer sehr involviert bin, die gehen ja bis Ende Juli. Das war mir wichtig, denn ich wollte München nicht für Bayreuth opfern.

Frage: Aber Bayreuth umweht ein schon ganz besonderer Glamour …

Antwort: Ja, Bayreuth steht im Sommer immer irgendwie im Fokus – zumindest medial. Vor allem aber freue ich mich darauf, dass ich in dem Richard-Wagner-Haus auf Spurensuche gehen kann: Wie hat sich der Komponist das vorgestellt? Was war sein Ideal von einem Opernhaus? Ich bin gespannt, inwiefern mich das berührt und ob ich das überhaupt spüre. Vor allem aber freue ich mich auf die Arbeit mit Christian Thielemann.

Frage: Wie nahe stehen Sie grundsätzlich Wagner?

Antwort: Das ist eine schwierige Frage. Die Musik von Richard Wagner ist ein absoluter Traum. Das geht mir schon sehr nahe. Ich habe ja mehrfach Wagner gespielt: Eva aus den "Meistersingern", bei "Tannhäuser" die Elisabeth, Sieglinde in der "Walküre" und natürlich auch die Elsa im "Lohengrin". Wenn ich auf der Bühne in diesen Rollen stehe, erlebe ich manchmal auch aggressive Momente. Das Frauenbild, das hier gezeigt wird, ist teilweise völlig überholt. Aus dem Blickwinkel einer modernen Frau ist das gelegentlich schwer zu ertragen.

Frage: Sie treten mittlerweile ausschließlich in Europa auf, warum?

Antwort: Ich wollte einfach diese weiten Übersee-Reisen nicht mehr machen. Wir sind ja auch sehr in diesem speziellen Mechanismus gefangen: Ein Engagement dauert rund vier Wochen, eine Neuproduktion mit Proben auch mal fünf Wochen. Diese ganze Zeit ist man weg von Zuhause, was ich nicht so sehr mag. Am liebsten würde ich meinen Aktionsradius auf einen engen Raum beschränken, so dass ich – wie jeder andere normale Mensch – nach getaner Arbeit nach Hause fahren kann.

Frage: Ist dieses Weg-Sein für Sie die Kehrseite der Medaille?

Antwort: Ja. Man muss sein Leben diesem Job in einem sehr hohen Maße unterordnen – nicht weil man überlastet ist, sondern weil man einfach von Zuhause weg ist. Da habe ich irgendwann die Entscheidung getroffen, das zu ändern. Ich habe ja schon überall gesungen, in allen großen Häusern der Welt. Ich konnte es mir aussuchen, hätte dauerhaft nach New York gehen können. Aber ich habe mich dazu entschieden, hier zu bleiben.

Frage: Eine Entscheidung zugunsten der Lebensqualität?

Antwort: Genau. Lebensqualität. Dazu gehören auch so banale Dinge, wie das Schlafen im eigenen Bett. Das ist mir wahnsinnig wichtig. Man kennt das ja: Man ist ständig unterwegs, hat von den fremden Kopfkissen einen steifen Nacken, man lebt aus dem Koffer und so weiter. Jeder Mensch zieht sich morgens ein frisches Hemd, eine frische Bluse an – und wir "Diven" müssen morgens im Waschbecken eines Hotelzimmers unsere Sachen waschen. Schließlich kann man ja nicht für fünf Wochen frische Kleidung mitnehmen.

Frage: Wenn man von Diva spricht, denkt man an Operndiva. Ist dieses Klischee Ihrer Meinung nach überholt?

Antwort: Es ist die Frage, was man unter Diva versteht: Manche sehen in dem Wort die extrovertierte Zicke, die neurotische, komplizierte Frau. Andere sehen in der Diva etwas Göttliches. Die Opern sind immer so geschrieben, dass es mindestens eine weibliche Hauptrolle gibt – normalerweise eine, um die sich alles dreht. Das kann dann schon eine Diva sein …

Frage: Und: Fühlen Sie sich selbst auch als Diva?

Antwort: Wenn ich auf der Bühne stehe und eine Hauptrolle singe, dann bin ich die Person, auf die sich alles konzentriert. Insofern bin ich dann eine Diva. Wenn ich aber privat samstags morgens beim Einkaufen bin, fühle ich mich sicher nicht als Diva.

Frage: Mit welchen der großen, verstorbenen Dirigenten hätten Sie gerne gearbeitet?

Antwort: Ich hätte sehr gerne mit Wilhelm Furtwängler gearbeitet. Das hätte ich gerne mal gemacht, weil mir das so nahe geht. Das war, glaube ich, durch und durch ein Musiker. Und vollkommen unprätentiös, immer der Musik dienend.

(Interview: Gunther Matejka, dpa)

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