Weimar – Eine nahezu in Vergessenheit geratene, unvollendete Oper von Franz Liszt (1811-1886) wird von der Staatskapelle Weimar am (heutigen) Sonntag konzertant uraufgeführt. Das Manuskript zur italienischen Oper "Sardanapalo" habe über 100 Jahre weitgehend unbeachtet im Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar gelegen, teilte das Deutsche Nationaltheater mit.
Das Fragment galt als schwer entzifferbar, lückenhaft und unaufführbar. Vor mehr als zehn Jahren nahm sich David Trippett, außerordentlicher Professor an der Musikfakultät der Universität Cambridge, des Manuskriptes an. "Die Musik muss gerettet werden", war für ihn klar. Mehrere Jahre habe er an der Orchestrierung des 1. Aktes gearbeitet, sagte Trippett der Deutschen-Presse-Agentur. Die große Schwierigkeit dabei: Liszt habe in den 1850er Jahren viele Abkürzungen, Änderungen und alternative Versionen vermerkt.
Im 1. Sinfoniekonzert der neuen Saison (Sonntag und Montag) spielt die Staatskapelle Weimar unter Leitung des Chefdirigenten Kirill Karabits das unvollendete Werk. Die Titelpartie übernimmt der Tenor Airam Hernández, der kurzfristig für den erkrankten Charles Castronovo einspringt. Als Mirra ist die Sopranistin Joyce El-Khoury zu erleben, als Beleso der Bassbariton Oleksandr Pushniak.
"Es ist die Verwirklichung eines Traumes", sagte Trippett, der als Student der Leipziger Hochschule für Musik mit dem Zug nach Weimar fuhr, um sich das Stück im Archiv ansehen zu dürfen. 111 Seiten umfasst die Handschrift zum 1. Akt mit teilweise leeren Notenzeilen. "Die Orchestrierung kommt von mir, aber es ist durchgängig Liszt". Die Musik sei fantastisch. "Sie ist 170 Jahre alt, aber sie klingt sehr frisch", sagte Trippett. Liszt habe versucht, eine moderne italienische Oper zu komponieren mit kühnen harmonischen Wendungen und Seitenwegen.
Das Libretto basiert auf Lord Byrons Tragödie "Sardanapalus" über den letzten König des antiken Assyriens, dem heutigen Syrien und Nordirak: Ein friedliebender Herrscher, der sich mehr für Feiern und Frauen interessiert als für Politik und Krieg und an die Güte und Tugend im Menschen glaubt. Als er von Rebellen gestürzt wird, verbrennt er sich und seine Geliebte bei lebendigem Leib.
"Die Musik ist wirklich großartig und faszinierend", ergänzte Chefdirigent Karabits. Das Fragment mit dem Chor am Ende erinnere ihn sehr an Richard Wagners "Tannhäuser". "Ich dirigiere etwas, was niemand zuvor gehört hat. Das ist sehr spannend und eine große Verantwortung." Die Entdeckung schlage ein neues Kapitel in der deutschen Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts auf. "Das Stück finden Sie noch in keinem Werkverzeichnis von Liszt", sagte der Chefdirigent als einer der Nachfolger des Komponisten in Weimar. Liszt war Kapellmeister der Hofkapelle in Weimar, der heutigen Staatskapelle.
Nach Angaben von Trippett gibt es bereits zahlreiche Anfragen aus anderen Ländern, die Unvollendete von Liszt ebenfalls erklingen zu lassen.
(dpa/MH)
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