Neuer Semperoper-Intendant will politisches Musiktheater machen

27. August 2018 - 10:00 Uhr

Dresden – Die Semperoper Dresden geht an diesem Mittwoch mit einem neuen Intendanten in die neue Spielzeit. Nach Ansicht von Peter Theiler darf das Haus kein "politikfreies" Musiktheater sein. "Es gibt keine apolitische Kunst. Eine Haltung zu den Themen unserer Zeit ist wichtig", sagte der 62-jährige Schweizer der Deutschen Presse-Agentur in Dresden. Er verstehe das aber nicht doktrinär, sondern im analytischen Sinne. "Es gilt Themen aufzugreifen, die heutige Menschen bewegen." Zugleich habe sich die Semperoper ihrer Vergangenheit zu stellen. Wenn sich das Haus dem Werk von Richard Strauss und Richard Wagner verpflichtet fühle, müsse es auch Werke von Komponisten aufführen, die in der NS-Zeit als verfemt galten oder schon zuvor Opfer von Antisemitismus wurden.

Peter Theiler

Peter Theiler

"Ich bin ein großer Wagner-Fan, aber ich sehe ihn auch sehr kritisch. Wenn wir Wagner spielen, dann führen wir auch Giacomo Meyerbeer auf", sagte Theiler mit Blick auf seine erste Spielzeit. Meyerbeers "Hugenotten" haben im Juni 2019 ihre Premiere an der Semperoper: "Kein anderer hat sich an ihm mehr versündigt als Richard Wagner mit seiner antisemitischen Einstellung", sagte der neue Intendant. Dabei seien Porträts beider Künstler auf dem Schmuckvorhang der Semperoper zu finden.

Der Premieren-Auftakt mit Arnold Schönbergs "Moses und Aron" (29. September) und die folgende Premiere "Ariadne auf Naxos" (2. Dezember) von Richard Strauss gehörten in den Kontext "verfemt und politisch angepasst". Strauss war Präsident der Reichsmusikkammer.

Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit hat Theiler auch als bisheriger Generalintendant des Staatstheaters Nürnberg gesucht. Mit seinem Chefdramaturgen Johann Casimir Eule ging er der Geschichte des Musiktheaters in der "Stadt der Reichsparteitage" der Nazis und ihrer Vorläufer nach. Das Forschungsprogramm mit der Universität in Bayreuth, dem Forschungszentrum für Musiktheater in Thurnau sowie dem Dokumentationszentrum Reichsparteitage und dem Städtischen Museum Nürnberg mündete in einem Symposium und einer Ausstellung: "Die Reichsparteitage wurden ab 1935 mit den 'Meistersingern' eröffnet, die Mittelloge hieß Führerloge. Das ist ein Thema, das mich nicht mehr los lässt. Dem müssen wir uns auch in Dresden stellen."

Theiler sieht seine neue Wirkungsstätte im internationalen Konzert bereits gut vernetzt. Dennoch will er Kooperationen mit anderen Häusern ausbauen. "Man darf das aber nicht zur Obsession machen. Das Alleinstellungsmerkmal ist mir schon wichtig. Eine Kooperation um jeden Preis, nur damit als Label Mailänder Scala mit draufsteht, machen wir nicht. Mich interessiert das Resultat." Die Semperoper werde bereits heute international wahrgenommen und sei eine "Größe wie die Bayerische Staatsoper in München oder die Staatsoper Berlin". Eine Zusammenarbeit strebe er aber mit Tokio und dem Royal Opera House Covent Garden an. Zugleich richte sich der Blick nach Moskau.

Der Osten Europas findet sich auch im Spielplan wieder. In der neuen Spielzeit, die am Mittwoch mit einem Konzert der Sächsischen Staatskapelle beginnt, hat in Dresden auch die "Die verkaufte Braut" von Bedrich Smetana Premiere (8. März 2019). "Mit tschechischen Komponisten machen wir wie bisher weiter. Mir werden auch ein Werk von Leoš Janáček aufführen." Ohnehin werde es darum gehen, den Spielplan genau auszutarieren – zwischen den Ansprüchen der vielen Touristen, die fast die Hälfte des Publikums ausmachen, und den Dresdnern: "Wir müssen den Spagat machen zwischen einem normalen Repertoire und Werken, bei denen wir neue künstlerische Akzente setzen. Das ist das Spannende an Dresden."

(dpa/MH)

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