München (MH) – Was tun, wenn man eine quasi handlungsfreie Oper neu auf einer großen Bühne inszenieren möchte? Das Münchner Publikum folgte am Sonntagabend bei der Premiere von Christoph Willibald Glucks "Alceste" dem Konzept, dem Musikerensemble ein Tanzensemble an die Seite zu stellen – und ihm den Vortritt zu lassen – mit freundlichem Applaus.
Die Neuinszenierung an der Bayerischen Staatsoper verantwortete mit Sidi Larbi Cherkaoui gleichzeitig der Leiter der von ihm gegründeten Compagnie Eastman aus Antwerpen. In diesem Konzept nun begleiten Tänzer nahezu jede Szene mit abstrakten Bewegungsabläufen, die inhaltlich kaum Beziehung zur Handlung haben, sich jedoch auf das musikalische Geschehen einlassen. Es entsteht eine stets ästhetische, konzentrierte und hochbewegliche Bühnenkunst, die polarisieren kann. Was ist diese Produktion? Ein Tanzabend mit Opernbegleitung? Ein Zugeständnis an das an digitale Bildermassen gewöhnte Publikum, um allein den Gedanken an ein Geschehensvakuum im Kern zu ersticken?
Musikalisch war die Premiere keine spektakuläre Barockopern-Leistung. Dorothea Röschmann als Alceste im Rollendebüt am Münchner Haus ist vom Stimmtyp her deutlich zu wuchtig, mit viel Vibrato und teilweise einfach zu laut, ebenso Charles Castronovo als Admète. Mit schlanker Stimmführung überzeugte noch als ehesten Michael Nagy als Oberpriester und Hercule. Was bei dieser Produktion aber fast nebensächlich ist, denn Antonello Manacorda ist als Dirigent auch kein ausgewiesener "Alte Musik"-Spezialist und ließ Eleganz, Feinheit und Elastizität im Vergleich zu solchen Ensembles weitestgehend vermissen. Das Fazit des Abends ist eben doch: Die neue "Alceste" in München ist eine fesselnde "Eastman"-Choreografie mit Opernbegleitung.
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(Von Martina Kausch)
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(26.05.2019 – 10:00 Uhr)
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