Sorabji-Orgelmarathon in der Elbphilharmonie

16. September 2019 - 08:48 Uhr

Hamburg (MH) – Um 23:10 Uhr am Sonntagabend war es vollbracht: Wuchtige Akkorde markierten den fulminanten Schlusspunkt einer denkwürdigen Aufführung in der Elbphilharmonie. Der britische Organist Kevin Bowyer hat dort die 2. Symphonie von Kaikhosru Sorabji aufgeführt, ein Werk, das mit neun Stunden Spieldauer alles bisher Dagewesene in diesem Genre sprengt.

Kevin Bowyer

Kevin Bowyer

Bowyer (58) gilt als der Mann schlechthin für organistische Härtefälle. Er ist ebenso als Spezialist für Neue Musik bekannt, wie auch als Interpret ohne stilistische Scheuklappen, der alles spielt, was selten, schwer oder experimentell ist. Mit der Musik Sorabjis befasst sich der Universitätsorganist im schottischen Glasgow bereits seit Jahrzehnten und hat alle drei Orgelsinfonien aus dessen Feder in Partiturform gesetzt.

Dabei gilt die Musik des Eigenbrötlers Sorabji (1892-1988) als stellenweise geradezu unspielbar. Bowyer hat sich jedoch eine Spiel- und Übetechnik angeeignet, die es ihm erlaubt, selbst schwierigste Werke in relativ kurzer Zeit zu beherrschen. Dauert die erste Sinfonie nur gut zwei Stunden, ist die zweite, 1932 vollendete, mehr als vier Mal so lang. Die Partitur umfasst 300 Din A3-Seiten, 1.475 Klangkombinationen hat Bowyer dafür an der Klais-Orgel der Elbphilharmonie mit ihren 69 Registern dafür finden und abspeichern müssen. Alleine dafür hatte er zwölf Tage gebraucht.

Auch die zeitlichen Dimensionen des Konzertes am Sonntag sprengten alle Konventionen: Aufgrund der Länge wurde das "Sorabji-Projekt" auf zwei Konzerte aufgeteilt. Morgens um 11:00 Uhr begann der Sorabji-Marathon und dauerte – unterbrochen von mehreren Pausen – bis zum späten Abend. Die körperlichen Anstrengungen für Bowyer waren dabei enorm und sind mit der extremen Belastung von Spitzensportlern vergleichbar. Auch die Zuhörer in der nicht ausverkauften Elbphilharmonie brauchten Ausdauer, die am Ende verbliebenen zeigten sich aber mehr als begeistert. Es gab Ovationen im Stehen für eine in jeder Hinsicht herausragende künstlerische Leistung.

(Von Guido Krawinkel)

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(gk/wa)

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