Berlin (MH) – Die diesjährige Verleihung des Opus Klassik ist zu einem eindringlichen Appell für den Erhalt des Musiklebens in Zeiten der Pandemie geworden. Fast jeder Preisträger nutzte seine Dankesrede am Sonntag für mahnende Worte. Die Geigerin Anne-Sophie Mutter verwies darauf, dass zwei Drittel der Musiker solo-selbständig sind. Viele von ihnen seien aktuell nicht nur arbeitslos, sondern lebten an der Armutsgrenze. "Ich nehme den Preis in Empfang für meine Kollegen, die genauso das Recht haben auf der Bühne zu stehen, und genau wie ich fast gar nicht mehr arbeiten können", sagte die als "Instrumentalistin des Jahres" Ausgezeichnete. Auch viele andere Berufe wie "die Dame an der Garderobe, der Caterer, der Veranstalter" seien von der "katastrophalen Lage" betroffen, in der sich das kulturelle Leben gerade befinde. Insgesamt habe der Musikbetrieb im letzten Jahr 13,6 Milliarden Euro erwirtschaftet, "weiß Gott, auch das ein Schatz", erklärte sie.
Der Tenor Jonas Kaufmann wandte sich direkt an die Politik: "Lassen Sie uns weiter diese wunderbare Kunstform ausführen, lassen Sie uns wieder unseren Beruf ausüben." Nicht nur die Musiker brauchten das zum Überleben. Konzerte und Vorstellungen seien gerade jetzt eine Möglichkeit, dass die Menschen wenigstens für kurze Zeit die Sorgen des Alltags vergessen. Das Publikum bat der Gewinner des "Klassik ohne Grenzen"-Preises: "Wenn Sie nach Ende dieser Krise eine Kulturlandschaft vorfinden möchten, wie Sie sie vorher genossen haben, müssen Sie das den Politikern zu verstehen geben." Diese müssten dafür sorgen, dass die Kulturinstitutionen in Deutschland "nach diesen schwierigen Zeiten nicht alle weg sind".
Der österreichische Pianist Rudolf Buchbinder, der für sein Lebenswerk geehrt wurde, erklärte, er habe in den letzten Wochen erlebt, wie Veranstalter und Publikum "mit höchster Umsicht, Professionalität und Verantwortung agieren". Es sei ihm "äußerst unverständlich, warum die Politik das alles zunichte macht", in dem sie Kulturstätten mit pauschalen Bestimmungen lahmlege. Es brauche keinen blinden Aktionismus, betonte er. "Wir benötigen maßgeschneidertes Handeln nach den örtlichen Hygienekonzeptionen, die ja gemeinsam von Virologen und Experten erstellt wurden und nicht von Politikern."
Die Blockflötistin Dorothee Oberlinger warb dafür, gemeinsam einen Weg aus der Krise zu finden, damit die Kultur keinen Kahlschlag erleidet. "Und ich finde, es lohnt sich, dafür zu kämpfen", sagte sie. Der Chefdirigent des Beethoven Orchesters Bonn, Dirk Kaftan, äußerte sich zuversichtlich: "Wir waren nie weg. Und wenn wir wieder richtig da sind, können sich alle ganz schön warm anziehen."
Wegen der Corona-Pandemie fand auch die Preisverleihung im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt unter besonderen Hygienerichtlinien statt. Im Saal war jede zweite Sitzreihe ausgebaut und beiderseits von zwei Besuchern wurden jeweils drei Plätze freigehalten. Das Konzerthausorchester unter der Leitung seiner Ersten Gastdirigentin Karina Canellakis spielte in reduzierter Besetzung. Einige Laudatoren hatten kurzfristig ihre Teilnahme abgesagt. Den Gewinnern wurden die Preise nicht überreicht, sie mussten sie von einem Hocker in die Hand nehmen. "Selbstbedienung", meinte Moderator Thomas Gottschalk augenzwinkernd.
In diesem Jahr vergab der Opus Klassik Preise in allen 25 Kategorien. Die Gewinner wurden bereits vor einigen Wochen bekanntgegeben. Der Musikpreis wird seit 2018 von Plattenlabels, Verlagen und Konzertveranstaltern vergeben, die sich zum Verein zur Förderung der Klassischen Musik zusammengeschlossen haben.
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(wa/tr)
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