Entzauberte "Zauberflöte" an der Oper Frankfurt

03. Oktober 2022 - 00:18 Uhr

Frankfurt am Main (MH) – Statt Wiener Zauberposse samt kindertauglicher Bühnenmagie zeigt Regisseur Ted Huffman Mozarts "Zauberflöte" an der Oper Frankfurt im tristen Gewand eines traumatischen Psychodramas. Seine Sicht, die Taminos "Heldenreise" äquivalent zum Bildungsroman versteht und in dem er Tod, Vergänglichkeit und Pflegebedürftigkeit im Alter in den Mittelpunkt rückt, nahm das Publikum am Sonntagabend mit gemischten Gefühlen auf. Bravos und Buhs hielten sich in etwa die Waage.

"Die Zauberflöte"

"Die Zauberflöte"

Zu bewundern ist jedenfalls die Unbeirrbarkeit und Konsequenz, mit der Huffman die unmenschlichen Mechanismen einer Gesellschaft freilegt, die den Nachwachsenden ihre Zwänge und Konflikte mitleidlos aufoktroyiert. Sarastros Heilige Hallen sind nicht viel mehr als eine toxische Männer-Mafia, während die manipulative "Königin der Nacht" ihr Umfeld mit ihrer posttraumatischen Belastungsstörung in den Abgrund zieht. Kunst, Liebe und das fürsorgliche Miteinander-Altwerden stellt er den destruktiven Lebensentwürfen als Ausweg gegenüber.

Musikalisch reiht sich ein Lichtblick an den nächsten: Das zum sechsten Mal vom Fachmagazin "Opernwelt" frisch gekürte "Opernhaus des Jahres" wartet mit gewohnt exzellenten Choristen unter Tilman Michael auf und kann alle Rollen mit herausragenden Sängerinnen und Sängern besetzen. Michael Porters Tamino besticht nicht nur mit tenoralem Glanz, sondern vor allem mit der glaubhaft verzweifelten Suche nach sich selbst. Opernstudio-Mitglied Hyoyoung Kim als Pamina gestaltet ihre schwierige Partie mit schauspielerischer Verve und klarem Sopran und kann selbst Andreas Bauer Kanabas als furchteinflößendem Sarastro spielend Paroli bieten.

Danylo Matviienkos Papageno macht als peinlicher Farbfleck und unbekümmerter Lebemensch stimmlich und humoristisch alles richtig, während einzig Neuzugang Anna Nekhames in ihrem Hausdebüt als "Königin der Nacht" zwar quellklare Koloraturen fabriziert, aber abgrundtiefe Rachewucht schmerzlich vermissen lässt.

Als reine Augen- und Ohrenweide und allein den Besuch des Abends wert platzieren sich dafür ihre drei Hofdamen Monika Buczkowska, Kelsey Lauritano und Cláudia Ribas als strippenziehendes Champagnerterzett. Aus dem Orchestergraben klingt eine warmtönender, federnder, exquisit reiner Mozart, den Steven Sloane am Pult zu immer neuen Höhepunkten führt. Tadellos auch die Flötentöne von Elizaveta Ivanova und das Tastenglockenspiel Takeshi Moriuchis.

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(bb/wa)

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