Frankfurt am Main (MH) – Mit freundlichem Applaus reagierte das Frankfurter Publikum am Sonntagabend auf die erste abendfüllende Oper des Komponisten Vito Žuraj. Mit "Blühen" vertonte der 43-jährige Preisträger des Claudio-Abbado-Kompositionspreises ein Libretto von Händl Klaus, der die letzte Erzählung Thomas Manns "Die Betrogene" aus dem Jahr 1953 bearbeitet hatte. Weil der leitmotivisch eingesetzte Akkordeonspieler des verantwortlichen Ensemble Modern im Zug der Deutschen Bahn festsaß, begann die Uraufführung in der Spielstätte im Bockenheimer Depot mit 15 Minuten Verspätung und nur dank des Einsatzes von Studienleiter Takeshi Moriuchi, der mithilfe eines Keyboards den Toncharakter des Instruments nachzuahmen versuchte. Erst im vierten der sieben Bilder war Akkordeonist Filip Erakovic tatsächlich anwesend.
Das Libretto nimmt sich gegenüber der ironischen Erzählung Thomas Manns viele Freiheiten und erzählt das Geschehen der reifen Liebe einer 52-jährigen Frau zu einem jungen Hauslehrer, der ihr Sohn sein könnte, ganz aus der Sicht der Protagonistin Aurelia. Während die Witwe glaubt, dass ihre erblühende Liebe mit der frisch einsetzenden Menstruation von der Natur gesegnet wird, ist in Wirklichkeit ein tödlicher Unterleibskrebs in ihr herangewachsen.
Händl Klaus' pointiertes Libretto lässt viel Raum für Assoziationen, während Žurajs lebhafte Tonsprache mit vitalen Blech-, Harfen- und Saxophonklängen in Bann schlägt. Aber auch fahl tropfende Klangschaleneffekte setzt der slowenische Komponist wirksam ein, um Aurelias langsames Sterben in all seiner Vielschichtigkeit offenzulegen. Ensemblemitglied Bianca Andrew als Aurelia erntete für ihre technisch anspruchsvolle Mezzopartie und ihre überragende schauspielerische Leistung den größten Applaus, ebenso wie Michael Porter in seiner intervallreichen Partie als Englischlehrer Ken und Gastsopranistin Nika Goric als spröde Tochter Anna. Zurückhaltender reagierte das Publikum auf die betont natürliche Herangehensweise von Regisseurin Brigitte Fassbaender, die wenig Abstraktion anstrebte und ganz dem Talent der Sänger vertraute. Viel Jubel ernteten Dirigent Michael Wendeberg, das wie immer grandios solistisch aufspielende Ensemble Modern und das anspruchsvoll intonierende zwölfköpfige Vokalensemble.
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(bb/wa)
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