Statt in seinem gewohnten Probenraum hat ein Gitarren-Quartett zwei Musikstücke in einem EEG-Labor einstudiert. In den vergangenen Monaten waren die vier Gitarristinnen des Berliner "Cuarteto Apasionado" regelmäßig beim Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Die Wissenschaftler wollten herausfinden, wie Menschen ihre Handlungen miteinander koordinieren.
Dazu haben sie den "Gleichklang" der Musikerinnen-Gehirne beim vierstimmigen Spiel untersucht. Vorausgehende Studien mit Gitarrenduetten hatten bereits ergeben, dass beim gemeinsamen Musizieren eine Synchronisation der Gehirnaktivität stattfindet. Darin sahen die Forscher einen Hinweis, dass synchrone Hirnwellen eine Voraussetzung für die erfolgreiche Handlungskoordination mehrerer Personen sein könnten. Um dieser Vermutung nachzugehen, haben sie anschließend ein größeres Ensemble mit komplexerer Musik untersucht. Die Wissenschaftler zeichneten die Hirnwellen sowie die Herz- und Atmungsaktivität der vier professionellen Gitarristinnen auf, während diese zwei Stücke einstudierten.
Im Zentrum stand die Frage, wie Synchronisation entsteht und sich im Verlauf der Proben entwickelt. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich die vier Gehirne aufeinander einstimmen und sich im Probenverlauf zu einem funktionalen Netzwerk verbinden. "Das Netzwerk ändert seine funktionale Konfiguration in Abhängigkeit von der Situation und dem, was gespielt wird", erklärte Studienleiter Viktor Müller. "Welche Auswirkung das Üben auf das neuronale Geschehen hat und wie sich die Struktur des gemeinsamen Netzwerkes beim stetigen Besserwerden verändert, wollen wir mit der bevorstehenden Auswertung zeigen."
Höhepunkt der Studie wird ein öffentliches "Laborkonzert" am 17. Juni sein. Dabei trägt das "Cuarteto Apasionado" unter anderem die beiden Stücke vor, die es während der Labormessungen geprobt hat, nämlich „Libertango“ von Astor Piazolla und „Comme un Tango“ von Patrick Roux. Die vier Gitarristinnen werden auch während des Konzerts mit dem EEG untersucht. Zusätzlich werden vier Gäste aus dem Publikum an die Messgeräte angeschlossen: Zwei musikalisch Beschlagene und zwei Musiklaien.
Die Forscher wollen die neuronalen Effekte bei den Konzertierenden und den Zuhörern überprüfen, aber auch was zwischen den beiden Gruppen unter realen Konzertbedingungen passiert. "Uns interessiert, ob sich Effekte, die wir in der Probensituation gesehen haben, durch die Anwesenheit von Zuschauern verändern", erklärt Johanna Sänger, Doktorandin des Projektes, die Erwartungen an das Experiment. "Außerdem möchten wir wissen, inwiefern sich Synchronisation und funktionelle Verbindungen zwischen den Gehirnen von Musikern und Zuhörern zeigen lassen."
(wa)