Richard Wagner – Filmbiographie anlässlich des 100. Geburtstags

22. Mai 2013 - 10:11 Uhr

Mittwoch, 22. Mai 2013 / 00:10 – 01:50 Uhr
ARTE

Stummfilm (Deutschland 1913) "Richard Wagner. Eine Filmbiographie anlässlich des 100. Geburtstages des großen Meisters" erzählt in der Manier von "tableaux vivants" das Leben des Komponisten. Zusammen mit der nun wieder rekonstruierten Originalmusik von Giuseppe Becce ist "Richard Wagner" das erste Biopic des deutschen Films, zu dem auch die erste deutsche Filmmusik geschrieben wurde.

Wagner Filmbiographie

Die Uraufführung der rekonstruierten Filmfassung findet am selben Tag im Festspielhaus Baden-Baden statt. Die Filmmusik, live eingespielt von der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter der Leitung von Frank Strobel, wird von ARTE für die leicht zeitversetzte Fernsehausstrahlung mitgeschnitten.

Zum 100. Geburtstag Richard Wagners 1913 hatte Oskar Messter, einer der agilsten Filmproduzenten des deutschen Stummfilms, die Idee für eine Verfilmung der Biografie des Komponisten. Der Streifen folgt in üppiger historistischer Ausstattung den Stationen im Leben des Komponisten – angefangen von seinem Studium und der ersten Anstellung im Lauchstädter Theater, über die Erfolge und Misserfolge in Dresden, bis hin zur Förderung durch König Ludwig II., der ihn bis an sein Lebensende unterstützte. Anlässlich des 200. Geburtstags von Richard Wagner machen die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung und ZDF/ARTE das 100 Jahre alte Filmwerk in einer rekonstruierten Fassung wieder zugänglich.

Die Kardinalfrage während der Dreharbeiten 1913 war die Filmmusik. Die Produzenten wollten den Film mit Musik aus Wagners Werken unterlegen. Das jedoch untersagte die damals noch lebende Cosima Wagner, wie auch den Rückgriff auf Musik ihres Vaters Franz Liszt. Da kam ein Zufall zur Hilfe: Der Hauptdarsteller Giuseppe Becce, der wegen seiner verblüffenden Ähnlichkeit zu Richard Wagner von Oskar Messter mit der Titelrolle betraut worden war, bot an, einen Soundtrack zu komponieren, der der Musik beider so stark nachempfunden sei, dass man sofort die Referenz zum Original erkenne, gleichzeitig aber so verschieden, dass rechtlich nichts einzuwenden sei.

Giuseppe Becce, immer schon ein Pragmatiker im Umgang mit den Werken anderer Musiker, verwendete "… Musiken von Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven und Gioacchino Rossini, die er jedoch nicht nur atmosphärisch im 'Off' oder als 'Source'-Musik (On-Musik) einsetzt", wie der Berliner Komponist Bernd Schultheis kürzlich erläuterte. "Becce geht es – im Gegensatz zu den Produzenten des Films – offensichtlich nicht allein darum, ein kunstbeflissenes Potpourri bekannter Werke zusammenzustellen, sondern er entwickelt einen Ansatz von filmischer Musikdramaturgie, indem er die Musik schneidet oder auch (agogisch) verzerrt und mit musikalischen Symbolen nahezu leitmotivisch arbeitet und auf diese Weise auch Szenen miteinander verknüpft."

Festspielhaus Bayreuth

So entstand ein kongeniales Plagiat, das heute, im Abstand von 100 Jahren, ein aufschlussreiches Dokument der Wagner-Rezeption und des Versuchs ist, den großen Meister dem (Kino-)Publikum nahezubringen. Mit seiner musikalischen Arbeit für diesen Film legte Becce den Grundstein für seine spätere Arbeit als Filmkomponist und Verfasser von Kinotheken sowie des Standardwerkes "Allgemeines Handbuch der Filmmusik" (mit Hans Erdmann und Ludwig Brav).

Die Originalpartitur ist nicht (mehr) vorhanden, jedoch existiert noch ein präzise eingerichteter Klavierauszug. Bernd Schultheis hat sie unter Berücksichtigung von Becces filmdramaturgischen Anlagen neu eingerichtet – auch wenn heute, mehr als 75 Jahre nach dem Tod des Komponisten, die Musik Wagners verwendet werden dürfte. Mit seinem dramaturgischen Konzept der Raffung und des musikalischen Schnittes hat Giuseppe Becce der Tatsache Rechnung getragen, dass Wagners Originalmusik sich in der relativ schnellen Szenenabfolge des Films nicht angemessen entfalten könnte.

Schultheis folgt in seiner Instrumentation nicht immer der Originalpartitur des jeweiligen, von Becce zitierten Komponisten. Seine Bearbeitung zeichnet sich durch eine sanft ironische Brechung des Films und der Musik aus. Sie eröffnet eine eher kritische Perspektive auf Wagners Biographie und deren Inszenierung im Film. In der neuen Musikfassung wird der Film auch für "Nicht-Wagner-Kenner" erlebbar und würdigt ihn gleichzeitig als ein wichtiges Dokument der Wagner-Rezeption.

(pt/wa)

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