Er brachte die "Last Night of the Proms" nach Deutschland: Rolf Seelmann-Eggebert moderiert das Konzert zum 30. Mal

06. September 2011 - 07:04 Uhr

Es ist eines der unterhaltsamsten Konzerte der Welt: die "Last Night of the Proms". Jeweils am Ende der sommerlichen Promenadenkonzerte in London treffen sich die Musikfreunde zu einem ausgelassenen Fest in der Royal Albert Hall. Da wird geklatscht, getanzt, gepfiffen und mit dem Orchester um die Wette gesungen. Von Sir Henry Wood 1895 ins Leben gerufen, sind die "Promenade Concerts" – kurz: "Proms" – ein fester Bestandteil des internationalen Musiklebens. Das deutsche Fernsehen übertrug die "Last Night" erstmals 1982. Seitdem wird sie jedes Jahr von Rolf Seelmann-Eggebert moderiert, am 10. September 2011 zum 30. Mal. Im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin musik heute erzählte der Journalist und Musikfreund, wie er die "Last Night" nach Deutschland gebracht hat.

Rolf Seelmann-Eggebert

Bekannt ist er vor allem durch seine Berichte über den europäischen Adel. Seit 35 Jahren kommentiert Seelmann-Eggebert die Geburtstagsparaden "Trooping the Colour" zu Ehren der englischen Queen. Von Charles und Diana bis William und Kate gibt es zudem keine Adels-Hochzeit, von der er nicht berichtet hätte. "Für mich gilt eine Ehe gar nicht als ordentlich geschlossen wenn Rolf Seelmann-Eggebert nicht mit dabei war", sagte einmal der ARD-Programmchef Günter Struve. Genauso eng ist "Sir Rolf", wie ihn seine Freunde nennen, mit der "Last Night of the Proms" verbunden. Während seiner Zeit als Korrespondent und Studioleiter in London hatte er die Institution der Promenadenkonzerte kennengelernt. "Das fand ich so attraktiv, dass ich die Idee mit nach Hamburg genommen habe", sagt er.

Generationen von Moderatoren kommen und gehen gesehen

Dort wurde Seelmann-Eggebert Anfang 1982 Programmdirektor Fernsehen beim NDR. Im September des Jahres übertrug der Sender erstmals die "Last Night". Die Zuschauerresonanz war sofort überwältigend. Mit den Jahren ist die Fan-Gemeinde immer weiter gewachsen. Dazu tragen auch seine Kommentare bei. Denn trotz aller journalistischen Professionalität kann man immer ein bisschen seine eigene Begeisterung heraushören. Gelegentlich hat er schon Briefe zitiert, die ihn bremsen wollten. Aber die meisten Zuschauer teilen seinen Spaß. Besucher der Royal Albert Hall haben ihn schon angesprochen: "Ich habe das ganze Spektakel durch Sie kennengelernt und freue mich, endlich einmal dabei zu sein."

Flaggen in der Royal Albert Hall

Während der Konzertübertragung sitzt er jeweils in einer Loge der Royal Albert Hall. 30 Mal die "Last Night" zu kommentieren, das hat sonst noch niemand geschafft. "Ich habe ganze Generationen von Moderatoren kommen und gehen sehen, vor allem bei der BBC selbst", sagt der passionierte Geiger. Vieles wiederholt sich von Jahr zu Jahr. "Diese Rituale finden die Leute eben auch schön." Trotzdem bereitet er sich immer gründlich auf die Übertragungen vor. "In diesem Jahr ist zum Beispiel Lang Lang der Solist. Da guckt man sich an, was er in den letzten Wochen und Monaten gemacht hat. Wie hat er sich bislang mit Liszt auseinandergesetzt? Denn das Liszt-Klavierkonzert wird er spielen." Außerdem haben die Engländer immer ein großes Interesse daran, englische Musik in der "Last Night" unterzubringen. "Die ist ja bei uns nicht notwendigerweise so vertraut, so dass ich immer noch die Konzertführer wälze und mich selber darauf einstelle", erklärt er.

Höhepunkte sind für den Commander of the British Empire immer wieder Solisten, die ihr Debüt bei der "Last Night" geben. "Die sind natürlich alle schon feuer-erprobt. Aber es ist schön zu sehen, dass jeder Künstler irgendwann seine erste 'Last Night' hatte und das dann auch mehr oder weniger genießt." Überraschungen hält auch immer der Beitrag des Dirigenten bereit. "Die müssen ja eine kleine Rede halten. Und manche haben ein unglaubliches Geschick, so etwas zu machen. Anderen gelingt es nicht ganz so gut, besonders wenn sie mit der englischen Sprache ein wenig hadern."

Ein tiefer Einschnitt war die "Last Night" im Jahr 2001, wenige Tage nach dem 11. September. "Der hat die Veranstaltung im letzten Augenblick völlig verändert", erinnert Seelmann-Eggebert sich. "Da haben sie alles, was heiter war, rausgenommen, aber das Konzert doch stattfinden lassen. Die 'Last Night' zu hören, ohne dass dieser Jubel da herrscht, ist schon etwas ganz Eindrucksvolles gewesen."

Proms im Hyde Park

Über die Jahre hat er als Kommentator auch erlebt, wie sehr sich die Konzerte verändert haben. 1996 kamen die "Proms in the Parks" hinzu. Obwohl die Royal Albert Hall bis zu 6.000 Menschen fasst, konnte sie dem Andrang nicht mehr standhalten. Deshalb wurden die königlichen Parks in London mit einbezogen, wodurch die Zahl der Besucher um ca. 80.000 stieg. "Wenn etwas zum Mitsingen kommt, dann singt nicht nur die ganze Halle, sondern auch der ganze Hyde Park mit 30.000 Leuten. Dann kamen Übertragungen in Wales, in Schottland und im Norden Englands hinzu. Die Veranstaltung ist also immer größer geworden. Und es ist auf jeden Fall schön, immer wieder dabei zu sein", sagt er.

Trotz des großen Erfolgs der "Last Night" wird bei der abendlichen Live-Sendung immer nur der zweite Teil gezeigt. "Es ist schwierig, im deutschen Fernsehen ein Musik-Programm unterzubringen, das über dreieinhalb Stunden dauert", erklärt der langjährige Afrika-Korrespondent mit deutlichem Bedauern. Wenngleich: "Wenn es mehr 'Last Nights of the Proms' gäbe, wären die Quoten auch besser." Und zumindest in der nächtlichen Wiederholung und im Radio kann man das Konzert inzwischen komplett hören.

"Glück gehabt mit meinen Geigenlehrern"

Seit seinem zehnten Lebensjahr spielt Rolf Seelmann-Eggebert Geige. "Ich habe den Eindruck, dass es zu der Zeit noch dazugehörte, dass die Kinder ein Instrument lernen", sagte er. "Irgendwie habe ich auch Glück gehabt mit meinen Geigenlehrern. Die haben mir das nicht vergrault. Denn gerade ein Streichinstrument zu spielen, ist ja für einen selber und insbesondere für die Umgebung, die das mit anhören muss, nicht so sympathisch." Anschließend, könnte man meinen, war es ganz einfach: "Ich habe die ersten fünf Jahre durchgehalten, und dann habe ich eben die nächsten 50 auch durchgehalten", sagt er lachend.

Royal Albert Hall

In Schülerorchestern in kammermusikalischen Gruppen hat er schon früh die Musikliteratur kennengelernt. "Ich habe alles von der Pike auf mitgemacht", sagt er, "aber immer die zweite Geige gespielt, darauf lege ich doch großen Wert. Bei bestimmten Stellen verstecke ich mich gerne hinter dem Rücken von tüchtigeren ersten Geigern oder Bratschern." Zusammen mit seiner Frau spielt er in zwei Streichquartetten. Daneben engagiert er sich für das Kammerorchester Hamburger Camerata.

Am liebsten mag er Händel. "Dessen Geigensonaten kann man durchaus schon nach drei Jahren Musikunterricht spielen. Sie sind nicht so schwierig und haben trotzdem eine sehr schöne Melodie. Das hat mich bei Händel immer beeindruckt: Die Schlichtheit der Mittel und die große Wirkung." Zum 250. Todestag des Komponisten hat die Produktionsfirma seines Sohnes gleich zwei Dokumentarfilme gedreht. Durch eine davon, "Händel in Norddeutschland" hat Rolf Seelmann-Eggebert selbst als Erzähler geführt.

Publikum der Royal Albert Hall

Ein Instrument zu lernen, findet er heute mindestens so wichtig, wie es früher gewesen ist. "Denn die Schule fühlt sich ja offenbar an allen Stellen und ewig überfordert", kritisiert er und befürwortet Initiativen in Hinblick auf Musikerziehung. In dem Zusammenhang erinnert er sich an seine Zeit als junger Reporter in Göttingen. Damals wollte das niedersächsische Kultusministerium dem Sinfonieorchester der Stadt die Zuwendungen streichen, was dessen Ende bedeutet hätte. Sein Argument war damals: "Wenn das Orchester in Göttingen nicht mehr existiert, fällt das gesamte Privatmusikleben auch flach. Denn die Musiker waren auch privat Musiklehrer, die den Kindern in Göttingen Unterricht erteilten. Man muss diese Zusammenhänge erkennen: Wenn ein Orchester aufgelöst wird, bedeutet das nicht nur, dass ein bestimmtes Publikum keine Konzerte mehr kriegt. Es hat weit größere Konsequenzen."

"In einer Fernsehsendung hielt ich die Musiker an, quasi um ihr Leben zu spielen. Das taten sie auch, und wir haben einen großen Beitrag gemacht." Später erklärte der Kultusminister, dass das Orchester durch diese Art der Werbung gerettet worden sei. "Man darf nie ein 'Nein' für ein 'Nein' akzeptieren", sagt Rolf Seelmann-Eggebert. Das bezieht er auch auf seine Motivation, Journalist zu werden: "Man muss neugierig sein. Und wenn man sich ein 'Nein' einhandelt, ist es gut, wenn man sagt: Nun erst recht!"

(Von Wieland Aschinger)

http://www.seelmannfilm.de/
http://www.bbc.co.uk/proms

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