Berlin – Der Reigen der Neuigkeiten diese Woche wird angeführt von einer besonderen Premiere. Im Rahmen des Festivals INFEKTION! für neues Musiktheater präsentierte die Staatsoper Berlin "Macbeth" von Salvatore Sciarrino, der beweist, dass moderne Oper wirklich spannend sein kann. Außerdem feiern wir den Geburtstag von Charles Gounod und die Uraufführungen von "Il viaggio a Reims" von Gioachino Rossini und "King Roger" von Karol Szymanowski.
"Macbeth" als Psychodrama
Im Rahmen ihres Festivals INFEKTION! präsentiert die Staatsoper Berlin das Werk "Macbeth" des italienischen Komponisten Salvatore Sciarrino – ein Glücksfall. Sciarrino, der sich ausdrücklich als musikalischen Autodidakten bezeichnet, ist ein Meister der Reduktion. Sein beinahe atavistischer Stil, der stark auf Stimmen, wenige Orchesterakzente und vor allem auf Stille setzt, findet einen überaus fesselnden Zugang zu diesem hochdramatischen Stoff.
Tradition ist hier nicht die Anbetung der Asche Shakespeares und Verdis, sondern die Weitergabe ihres Feuers. Sciarrino ist sein eigener Librettist und verdichtet Handlung und Sprache zu ikonischen Szenen, die das Seelenleben seiner Hauptdarsteller sezieren. Sciarrino zeigt Macbeth und seine machtgierige Lady, wie sie von den Schatten ihrer eigenen grausamen Handlungen verfolgt, gequält und schließlich zerstört werden.
Ohne Tradition sind wir nichts, sagt Sciarrino – und unterstreicht seine These in einer Albtraumszene mit beinahe wörtlichen Zitaten aus Mozarts "Don Giovanni" und dem "Macbeth" von Verdi, Zitate, die so schnell verinnen und entgleiten, wie sie erschienen sind.
Sciarrino vermeidet die Bezeichnung "Oper" für sein Werk und nennt es anstatt dessen drei namenlose Akte. Akte, die uns mit zauberhaft spannender musikalischer Minimalistik immer tiefer in den Bann der Seelenwelt ihrer Hauptdarsteller ziehen. Die Aktionen der Handlung, der Mord an Banquo und das Erscheinen Macduffs sind hier wie im epischen Theater nur ikonische Repräsentationen. Im Kern aber geht es Sciarrino um die Psychologie seiner Hauptfiguren. Ihr Untergang, der eigentlich nicht von außen kommt, sondern sie quälend langsam von innen heraus zerfrisst, ist das eigentliche Meisterwerk dieser drei namenlosen Akte. VIDEOKRITIK ANSEHEN
Zum Geburtstag von Charles Gounod
Eigentlich wollte Charles Gounod ja Pfarrer werden. Aber schließlich setzte sich doch seine Leidenschaft für die Oper durch. Mitte des 19. Jahrhunderts veröffentlichte Gounod in Paris seine erste Oper "Sappho", der mäßiger Erfolg beschieden war. Mit "Faust" (1859) feierte er seinen Durchbruch und mit "Roméo et Juliette" (1867) erlebte er Triumphe. Paris war damals die Welthauptstadt der Oper, die Stadt Meyerbeers und Offenbachs. Hier war gerade die "Grand Opéra", das Hollywood des 19. Jahrhunderts mit fünf Akten, Zwischenballetten, hunderten von Mitwirkenden und grandioser Ausstattung erfunden worden. Gounod hingegen widmete sich ganz dem Genre der "Opéra lyrique", deren großer Meister er mit seinen insgesamt zwölf Werken werden sollte.
Wir feiern seinen Geburtstag mit der Arie der Juliette "je veux vivre" aus "Roméo et Juliette", gesungen von der großartigen Anna Netrebko… ARIE ANSEHEN
Zur Uraufführung von "Li viaggio a Vienna"
UA am 19. Juni 1825 – Sie war Rossinis letzte italienische Oper. Hier in einer vor Witz sprühenden Inszenierung vom Théâtre du Châtelet in Paris mit jungen Sängern des Marijnsky Theaters unter der Leitung von Valery Gergiev. Wann sieht man schließlich schon mal eine singende Wolke? Anlass für das Werk war die Krönung des französischen Königs Karl X. 1824, die auch in der Handlung eine wichtige Rolle spielt. Der Monarch war bei der Premiere in Paris anwesend. Rossini schrieb seinem mächtigen Ensemble am Pariser "Théâtre Italien" ein virtuoses Nummernprogramm auf den Leib und zog die Oper noch im selben Jahr nach wenigen Aufführungen zurück – wahrscheinlich, um die Musik auch noch in anderen Arbeiten einsetzen zu können. 1854 wurde eine Bearbeitung von Rossini unter dem Titel "Il viaggio a Vienna" anlässlich der Hochzeit von Kaiser Franz Joseph I. und Elisabeth in Wien aufgeführt. Auch 2005 zur Krönung von Fürst Albert II. von Monaco wurde "Il viaggio a Reims" im frisch renovierten monegassischen Opernhaus gespielt. "IL VIAGGIO A REIMS" ANSEHEN
Zur Uraufführung von "King Roger"
UA am 19. Juni 1926 – "Kaum zu glauben, dass dieser 'Król Roger' so lange vernachlässigt wurde!" Nicht nur die angesehene 'Opernwelt' begrüßte die späte Entdeckung des polnischen Komponisten Karol Szymanowski’s (1882-1937) und dessen Meisterwerk aus dem Jahre 1926, in welchem Ansätze der Spät-Romantik, des Expressionismus, sowie Richard Strauß' und Richard Wagner’s mitschwingen. Aufgeführt in der Festspielhalle des Bregenzer Festivals, als Produktion des Festspieldirektors David Pountney – einem Musical-Unikum – erzählt eine Mischung aus Oper, Oratorium und Mysterienspiel die Geschichte des King Roger aus dem 12. Jahrhundert. Ein Erlebnis. Umbedingt reinhören. AUSSCHNITT ANSEHEN
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