Der Dirigent Andris Nelsons – Genius on Fire

12. September 2013 - 08:01 Uhr

Sonntag, 15. September 2013 / 08:05 – 09:00 Uhr
NDR-Fernsehen

Dokumentation (Deutschland 2012) Gleichmut gibt es im Leben des 34-jährigen Letten nicht, gab es nie: Als Kind hat Andris Nelsons nachts in der Schule Trompete geübt, bis er blutige Lippen hatte. Als Jugendlicher studierte er Gesang, lernte Taekwondo und wurde Orchester-Trompeter. Mit 24 Jahren ernannte ihn die Lettische Nationaloper in Riga zum Generalmusikdirektor.

Andris Nelsons

Nelsons nahm Privatunterricht bei Mariss Jansons. Sieben Jahre später wurde er Leiter des City of Birmingham Symphony Orchestras, als Nachfolger von Sir Simon Rattle. Längst hat er alle großen Orchester der Welt dirigiert. Wer ist dieser Mensch, der so früh eine so erstaunliche Karriere macht?

Regisseurin Astrid Bscher hat Nelsons zwei Jahre lang begleitet. Rasant ist ihr Film, Auftritte reihen sich aneinander, Konzert- und Probenorte wechseln in rascher Folge. Kurze Episoden zwischen dem künstlerischen Schaffen zeigen Nelsons' Heimatstadt Riga, seine Ausbildungsstätten an der lettischen Musikakademie und in St. Petersburg und natürlich die Familie. Das Leben, tempo- und abwechslungsreich, wie es zu einem modernen Dirigenten passt oder einen solchen ausmacht.

Überraschend ist sein unglaubliches Engagement bei den Probenarbeiten. Witzig, temperamentvoll, leidenschaftlich ist er dabei und reißt die Musiker mit. "Es gibt nichts Halbes, auch in der Probe nicht. Er ist immer voller Intensität", sagt der Trompeter Hokan Hardenberger über den Dirigenten. "Wirklich jeder, jeder Ton in der Partitur wird Musik. Mit ihm hat alles Gewicht".

Andris Nelsons spricht oder singt mit seiner ausgebildeten Bass-Stimme während der Orchesterproben in einem englisch-deutschen lautmalerischen Sprachgemisch. Um die Grundstimmung eines musikalischen Motivs zu beschreiben, baut er verbal Bilder, erzählt Geschichten – intelligente, witzige Geschichten. Intensiv setzt er seine Hände, eigentlich seinen ganzen Körper ein, um dem Orchester klar zu machen, was er will. Als Dirigent ohne "Maestro-Gehabe" steht Nelsons für eine neue Generation, deren Führungsqualität darin besteht, Menschen mitzureißen. Vermutlich ist das das Geheimnis seines Erfolgs, warum die Orchester so gerne mit ihm arbeiten und das Publikum in liebt.

Astrid Bscher ist mit dem spannenden, jungen Künstler in seine Heimat nach Riga gereist, hat seine Eltern, Weggefährten und Kollegen getroffen sowie seine Lebensgefährtin, die Sopranistin Kristine Opolais, die er in der Zeit geheiratet hat. Die Regisseurin zieht in ihrem Film kaum eine Trennline zwischen dem Dirigenten Andris Nelsons und dem Menschen Andris Nelsons. Ihr Porträt zeigt, wie sich Erlebtes in der Musik widerspiegelt, wie ein ernsthafter, junger Mensch mit dem Hype um seine Person umgeht, wie er daran wächst und sich weiterentwickelt.

(tr/pt/wa)

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