Montag, 06. April 2015 / 11:05 – 12:15 Uhr
3sat
Konzert (Österreich 2015, Erstausstrahlung) Eine Hommage an Antonio Vivaldi aus dem Wiener Stephansdom unter der musikalischen Leitung von Rubén Dubrovsky mit der Mezzosopranistin Vivica Genaux, dem Wiener Kammerchor und dem Bach Consort Wien.
Antonio Vivaldi, einer der bis heute wichtigsten Großmeister des Hochbarock, starb am 28. Juli 1741 in Wien, nur zehn Monate nach seiner Ankunft in der Hauptstadt des Habsburgerreiches. Es lag wohl am plötzlichen Tod Kaiser Karls VI., dass er trotz nicht ganz unberechtigter Hoffnungen bei Hof keine Anstellung erhalten hatte und auch andere mögliche Arbeitgeber abwinkten: Die Blüte des Hochbarocks war um 1730 schon im Welken begriffen.
Und obwohl Vivaldis musikalischer Erfindungsgeist auf neue, unbekannte Nuancen gekommen war, gelang es ihm nicht, aus den zunehmend erstarrenden Denkweisen barocker Formgebung und Konvention herauszutreten. Das ästhetische Empfinden mochte sich gewandelt haben, Vivaldi jedoch hielt an den Idealen seiner Erfolgszeiten am Beginn des 18. Jahrhunderts fest. Das ruhmlose Ende eines ruhmreichen Künstlers und Virtuosen vollzog sich still und leise in den Straßen einer Stadt, deren Musikleben bereits den Geist der Vorklassik atmete.
Doch was wäre gewesen, wenn die Ereignisse an einer der unzähligen Weggabelungen eine andere Richtung eingeschlagen hätten? Dieser Konzertabend gibt sich dem müßigen Gedankenspiel hin: der spielerischen Freude am Phantastischen wegen – und auch, um diesem Meister zumindest für einen Abend jene große Bühne zu gewähren, die er in Wahrheit nie hatte betreten können.
Die gedankliche Geschichtsfälschung führt ins Jahr 1715. Damals wirkte Vivaldi gerade als "maestro di viola all’inglese" am venezianischen "Ospedale della Pietà", einem Waisenhaus für Mädchen, das für seine musikalische Exzellenz bekannt war. In Wien aber wechselte Johann Joseph Fux, der bisherige erste Kapellmeister des Stephansdoms, in die Position des kaiserlichen Hofkapellmeisters. Die dadurch frei gewordene Stelle wurde von Georg Reutter dem Älteren übernommen, einem Mann, der eigentlich nur durch seinen Schüler Joseph Haydn zu historischer Bedeutung gelangt ist.
Was, wenn damals der 37-jährige "prete rosso", der rothaarige Priester Antonio Vivaldi, Domkapellmeister an St. Stephan geworden wäre? Welche venezianische Pracht hätte im Zentrum der habsburgischen Macht Einzug gehalten?
Das Konzertprogramm im Überblick:
– Kyrie, RV 587, Nisi Dominus – Psalm, RV 608, Credo, RV 59
– Sum in Medio Tempestatum – Motette per ogni stagioni, RV 632
– Et in Terra Pax, RV 588, In Turbato Mare Irato, Motette, RV 627
(pt/wa)