"La Traviata": Dreamteam Villazón/Peretyatko begeistert in Baden-Baden

23. Mai 2015 - 11:29 Uhr

Baden-Baden – Mit Gaetano Donizettis “L’Elisir d’Amore” lieferte der Tenor Rolando Villazón vor drei Jahren seine erste Regiearbeit für das Festspielhaus Baden-Baden. Damals sprang die junge russische Sopranistin Olga Peretyatko kurzfristig als Adina ein. Die Produktion wurde zum Triumph für Regisseur und Sängerin. Jetzt, zum Auftakt der Pfingstfestspiele, also wieder das Traumpaar Villazón/Peretyatko – dieses Mal mit Giuseppe Verdis "La Traviata". Und wieder gab es zum Schluss im Festspielhaus begeisterten, langanhaltenden Applaus. Das lag aber nicht nur am "Dreamteam".

Olga Peretyatko in "La Traviata"

Olga Peretyatko in "La Traviata"

Villazón ist ja bekanntlich kein "Dummtenor". Er lebte immer auch von seiner stimmlichen Intelligenz. Und auch als Regisseur erweist er sich als kluger Gestalter. "La Traviata" – "Die vom Weg abgekommene" – sollte ursprünglich "Amore e Morte" heißen, also "Liebe und Tod". Und da genau setzt Villazóns Regiekonzept an. Er inszeniert die Oper als Parabel auf eine mörderische Spaßgesellschaft. Violetta, die junge Edelkurtisane, von galoppierender Schwindsucht bedroht, gibt sich ganz dem champagnerseligen, erotisch aufgeladenen Taumel der Pariser Halbwelt hin. Die wahre Liebe zu Alfred Germont kommt zu spät. Der Tod ist schneller.

Das Bühnenbild von Johannes Leiacker ist eine Mischung aus Zirkusarena, Spielhölle, Bordell und unerbittlich ablaufender Uhr. Die Figur der Violetta wird verdoppelt durch eine Trapezkünstlerin (atemberaubend: Susanne Preissler). Beide werden von der Gesellschaft angehimmelt; beide erleiden den unvermeidlichen tödlichen Absturz. Diese "gute" Gesellschaft, die beide Violettas umschwirrt, wird durch phantasievolle Kostüme (Thibault Vancraenenbroeck) gezeichnet. Die Inszenierung ist knallbunt, gleichzeitig rabenschwarz.

Im Baden-Badener Festspielhaus erwartet das Publikum natürlich auch ein Sängerfest. Und da wird einiges geboten: Olga Peretyatko als Violetta ist ein strahlender Koloratursopran. Sie ist aber auch in der Lage die Gebrochenheit der Sterbenden stimmlich nachzuzeichnen. Atalla Ayan als ihr tragischer Liebhaber Alfred verfügt über einen frischen jugendlichen Heldentenor; seine Stimme ist angenehm dunkel timbriert.

Dritter im Bunde ist Simone Piazzola als Alfreds Vater. Er tritt als grau geschminkte Statue auf, als sei er gerade Mozarts "Don Giovanni" als "steinerner Gast" entsprungen. Auch die kleineren Rollen sind festspielmäßig besetzt.

Eine ganz wichtige Rolle für den durchschlagenden Erfolg spielen Chor und Orchester. Das Balthasar-Neumann-Ensemble und der Balthasar-Neumann-Chor (Einstudierung: Detlef Bratschke) musizieren Verdis geniale, farbenreiche Musik voller Kraft und Sensibilität. Dirigent Pablo Heras-Casado zeichnet sich durch große stilistische Vielfältigkeit aus. Er ist in der alten Musik ebenso zu Hause wie in der Avantgarde. Er entlockt Verdis Partitur bislang unerhörte, fast impressionistische Kläge.

(Von Martin Roeber, dpa)

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http://www.festspielhaus.de

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