Gericht: Semperoper-Intendant Dorny zu Unrecht gekündigt

01. Dezember 2015 - 18:11 Uhr

Dresden – Die fristlose Kündigung des designierten Semperoper-Intendanten Serge Dorny war unzulässig. Das entschied die 1. Zivilkammer des Dresdner Landgerichts am Dienstag. Richter Stefan Schmitt wertete die im Februar 2014 erfolgte Kündigung als "völlig übereilt" und als Überreaktion. Eine außerordentliche Kündigung sei die "Ultima ratio". Ein Arbeitgeber habe die Pflicht, zunächst mit weniger schwerwiegenden Maßnahmen zu reagieren. "Ein Pflichtverstoß ist meines Erachtens nicht erkennbar", sagte Schmitt. Das Land Sachsen will nun auf die schriftliche Urteilsbegründung warten und dann über eine mögliche Berufung entscheiden.

Dorny musste im Februar 2014 und damit sechs Monate vor dem geplanten Amtsantritt gehen. Er war zu diesem Zeitpunkt schon mit einem "Vorbereitungsvertrag" in Dresden beschäftigt. Laut Kunstministeriums hatte er Vertrauen verspielt. Der Belgier sah sich indes als Opfer eines Kompetenzgerangels mit Chefdirigent Christian Thielemann. Nach der Kündigung verklagte Dorny Sachsen. Die Richter hatten zu prüfen, ob die vom Land angegebenen Gründe für eine fristlose Kündigung des Intendantenvertrages ausreichten. Dorny sollte als Intendant in Dresden in fünf Jahren insgesamt rund 1,5 Millionen Euro erhalten. Nach dem Scheitern in Dresden blieb er Chef der Oper Lyon.

Wenn das Urteil rechtskräftig würde, müsste Sachsen nach Lage der Dinge die Differenz zwischen dem vereinbarten Gehalt in Dresden und dem aktuellen Verdienst in Lyon ausgleichen. Über dessen Höhe ist bislang allerdings nichts bekannt. In jedem Fall müsste der Freistaat aber die Kosten des Verfahrens tragen. Der Streitwert wurde vom Gericht auf 874.000 Euro beziffert.

"Wir warten zunächst die schriftliche Urteilsbegründung ab. Dann werden wir über weitere Schritte beraten", erklärte Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD). Die Kündigung war unter ihrer parteilosen Vorgängerin Sabine von Schorlemer erfolgt. Ihrer damaligen Erklärung zur Entlassung fehlte es nicht an Deutlichkeit. "Zu unserer großen Enttäuschung hat er den Erwartungen, die wir in ihn gesetzt hatten, nicht entsprochen. Um Schaden von der Oper im In- und Ausland abzuwenden, sehen wir zu einer sofortigen Kündigung keine Alternative mehr." Dorny, Jahrgang 1962, hatte seinen Vertrag erst im Herbst 2013 unterschrieben. Seitdem bereitete er seine erste Spielzeit vor.

Der Belgier gab seinerzeit an, er habe erst nach seiner Nominierung entdecken müssen, dass laut Vertrag ihm zustehende Kompetenzen auf die Position des Chefdirigenten entfielen. Er habe von Schorlemer über diesen Umstand unterrichtet und um eine Lösung des Problems ersucht – ohne eine konkrete Antwort zu erhalten. Der Ministerin unterstellte er einen Mangel an Transparenz und "fehlende politische Courage und Weitsicht": "Wäre ich von Anfang an in vollem Maße über die gegebenen Verhältnisse informiert gewesen, hätte ich das Angebot von Frau von Schorlemer ablehnen müssen", sagte er im Februar 2014.

Dorny sollte die Nachfolge von Ulrike Hessler antreten, die im Sommer 2012 im Alter von 57 Jahren an Krebs gestorben war. Seither führt der Kaufmännische Direktor Wolfgang Rothe die Geschäfte. Im Sommer dieses Jahres wurde der Schweizer Peter Theiler als designierter Intendant der Semperoper vorgestellt. Er ist derzeit noch Intendant in Nürnberg und soll mit der Spielzeit 2018/2019 nach Dresden wechseln.

(dpa/MH)

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