München (MH) – Viel Applaus für ein sehr besonderes Projekt: Regisseur Christoph Marthalers Inszenierung von Franz Lehars "Giuditta" wurde am Samstagabend vom rund 550-köpfigen Premierenpublikum an der Bayerischen Staatsoper vor der Pause bedächtig, am Schluss begeistert mit einigen Buhs aufgenommen.
Marthaler und Dramaturg Malte Ubenauf durchsetzen das Werk überzeugend mit Liedern, Dialogen, Arien und Orchesterstücken von Berg und Eisler, Schönberg, Korngold über Horvath bis Schostakowitsch, die die 1934 uraufgeführte Lehar-Operette bis zur Unkenntlichkeit verfremden. Nach einer politischen Vorrede über die Aushöhlungsmechanismen, die eine Republik zur Diktatur degenerieren, ertönt "Freunde, das Leben ist lebenswert" von Daniel Behle als Hauptmann Octavio – ein Maximalkontrast und Auftakt eines ganzen Abends der Kontraste. Diese Produktion zeigt Blicke auf ein Panorama von Politik- und Lebensthemen. Ein ganz neues Werk entsteht, das "Giuditta" lediglich als Anregung benutzt. Münchens Staatsoper auf neuen Wegen, in Pandemiezeiten sicher angesagt.
Die Besetzung ist hochkarätig: Daniel Behle glänzt tenoral, Vida Miknevičiūtė ist eine eher dramatische als leichtfüßige Titelfigur, eine große, schöne Sopranstimme. Das gesamte Sängerensemble agiert auf Topniveau, schade, dass Dirigent Titus Engel die Abstimmung zwischen Bayerischem Staatsorchester und Sängern am Premierenabend nicht immer gelingt. Das Orchester ist stellenweise einfach zu laut. Insgesamt eine sehens- und nachdenkenswerte Produktion und zumindest ein Teil der Zukunft des heute schwierigen Genres Operette. Und ein Zeichen für die Lebendigkeit der Kunst in diesen coronageprägten Zeiten.
Eine Aufzeichnung der Premiere von "Giuditta" zeigt die Bayerische Staatsoper am Mittwoch, 26. Januar 2022, ab 19:00 Uhr als Stream auf staatsoper.tv.
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(mk/wa)
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