Berliner Philharmoniker gedenken vertriebener jüdischer Musiker

10. Mai 2025 - 19:48 Uhr

Berlin (MH) – Die Berliner Philharmoniker haben an vier ihrer Mitglieder erinnert, die während der NS-Zeit in die Emigration getrieben wurden. Vor der Philharmonie verlegte der Künstler Gunter Demnig am Samstag Stolpersteine für den Ersten Konzertmeister Szymon Goldberg, den Ersten Geiger Gilbert Back sowie die beiden Solocellisten Nicolai Graudan und Joseph Schuster. Nach der Stolpersteinverlegung gaben Mitglieder des Orchesters im Kammermusiksaal ein Gedenkkonzert für die vertriebenen Kollegen.

Verlegung Stolpersteine vor Berliner Philharmonie

Verlegung Stolpersteine vor
Berliner Philharmonie

"Es ist höchste Zeit, dass wir dieser Schicksale sichtbar und hörbar gedenken", sagte Jasper Bieger, Geschäftsführender Direktor der Stiftung Berliner Philharmoniker, in seiner Ansprache. Der Anlass war auch der Zeitzeugin Margot Friedländer gewidmet, die am Freitag im Alter von 103 Jahren gestorben war. Orchestervorstand Stefan Dohr sprach von einem "dunklen Kapitel der Orchestergeschichte". Die Verlegung der Stolpersteine sei überfällig gewesen.

Der Geiger Krzysztof Polonek, der Cellist Ludwig Quandt sowie das Varian Fry Quartett mit den Geigern Marlene Ito und Christoph von der Nahmer, dem Bratschisten Martin von der Nahmer und dem Cellisten Knut Weber interpretierten Werke von Johann Sebastian Bach, Erwin Schulhoff und Felix Mendelssohn Bartholdy. Die Moderatorin und Radiojournalistin Shelly Kupferberg sprach über das Leben der vier jüdischen Musiker und die Abhängigkeit des Orchesters vom NS-Staat.

Szymon Goldberg,1909 in Włocławek im heutigen Polen geboren, kam 1930 auf Wunsch des Dirigenten Wilhelm Furtwängler als Konzertmeister zum Berliner Philharmonischen Orchester. Nach Hitlers Machtergreifung kündigte Goldberg 1934 seine Orchesterstelle und floh in die Schweiz und die Niederlande.

Während einer Konzerttournee in Indonesien wurde er von japanischen Besatzern interniert und bis 1945 auf Java in Haft gehalten. Der Geiger, der nach dem Krieg auch als Dirigent und Hochschullehrer tätig war, nahm die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an. 1993 starb er in Japan.

Der 1902 in Bulgarien geborene Gilbert Back emigrierte 1935 nach Ankara, wo er am Staatlichen Konservatorium lehrte und im Präsidentenorchester spielte. 1946 ging er mit seiner Frau in die USA und wurde Mitglied des Philharmonischen Orchesters in Los Angeles. 1967 beging er in Wien Selbstmord. Der Solocellist Nicolai Graudan, 1896 in Lettland geboren, ging 1935 nach London und danach in die USA, wo er im Minneapolis Symphony Orchestra spielte. 1964 starb er während einer Konzertreise in Moskau.

Der Solocellist Joseph Schuster, 1903 in Istanbul geboren, wurde bei den Philharmonikern 1929 Nachfolger von Gregor Piatigorsky. Nach seiner Emigration 1934 in die USA war er zehn Jahre lang in gleicher Position beim New York Philharmonic tätig. Von Kalifornien aus verfolgte er später eine Solokarriere und trat 1963 – sechs Jahre vor seinem Tod – wieder mit den Berliner Philharmonikern auf.

Die Erlöse aus dem Gedenkkonzert kommen der Margot-Friedländer-Stiftung zugute.

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(ck/wa)

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