Ney statt Querflöte – Studenten lernen "musikalische Fremdsprache"

25. Februar 2013 - 10:05 Uhr

Hildesheim/Berlin (mh) – Türkische Längsflöte Ney statt Querflöte, Gitarre statt Saz – Jana-Kerstin Lipnicki und Yusuf Sengör lernen seit gut einem Jahr ein Instrument aus einer anderen Kultur zu spielen. Erste Kostproben ihres Könnens präsentierten sie am Freitag im "Center for World Music" Hildesheim. Insgesamt 20 Teilnehmer des berufsbegleitenden Studiengangs "musik.welt – Kulturelle Diversität in der musikalischen Bildung" brachten 15 verschiedene Instrumente zum Klingen, darunter Mbira, Balafon und Tabla sowie Klavier, Blockflöte und Klarinette. Der nicht-öffentlichen Werkschau sollen schon bald öffentliche Konzerte folgen, sagte die Pressesprecherin der Universität Hildesheim, Isa Lange, dem Nachrichtenmagazin musik heute.

Werkschau

"Die aus europäischer Sicht oft immer noch als 'primitiv' abgewerteten Instrumente anderer Kulturkreise sind hochgradig komplex", unterstrich Kurt Klose, der das Modul "Instrumentalunterricht" leitet. Studentin Lipnicki bestätigte: "Ich habe lange gebraucht, um mit der türkischen Ney einen ersten Ton zu erzeugen." Die Kulturwissenschaftlerin spielte schon seit vielen Jahren Querflöte und hat sich in die Melodien und Spielweise der Ney eingearbeitet. "Ich bin noch ein Anfänger, aber seit einem Jahr hat sich viel getan. Von meinem musikalischen professionellen Niveau auf der Querflöte musste ich runterkommen und mit Geduld Tonleitern üben", sagte sie mit großem Respekt vor ihrem Instrument.

"Die große Neugier unserer Studenten ist beeindruckend, sie sind offen für alle kulturellen Einflüsse von der 'anderen' Seite", erklärte Klose, der die Studentengruppe zu einem Ensemble formt. Künftig werden die Studenten mit Jugendlichen und Erwachsenen zusammenarbeiten, "um musikalische Vielfalt zu transportieren". Klänge und Instrumente aus anderen Kulturkreisen kommen in deutschen Klassenzimmern zu selten vor, meinte Klose.

"Mit Musik kann man in der Integrationsarbeit viel erreichen, Musik verbindet Menschen gleich welcher Herkunft", sagte Yusuf Sengör, der seit seiner Kindheit Saz spielt. Seit Januar 2012 nimmt er wöchentlich Gitarrenunterricht und lernt Noten zu lesen. Seit 30 Jahren arbeitet Sengör als Lehrer für herkunftssprachlichen Türkischunterricht an niedersächsischen Schulen mit Kindern, von denen bis zu 60 Prozent eine Zuwanderungsgeschichte haben – und mit unterschiedlichen Klängen, Rhythmen und Melodien aufgewachsen sind. "Unabhängig vom Arbeitsalltag ist es bereichernd, sich außerhalb des Systems einer westlich-klassischen Ausbildung zu bewegen", ergänzte die 28-jährige Lipnicki. "Das gilt für die Musik, fürs Sprachenlernen und das ganze Leben."

Ensemble

In Deutschland lebende Menschen aus anderen Kulturen können ihre teils hochentwickelten musikalischen Kenntnisse nicht weitergeben, weil ihre Vorbildung hier nicht anerkannt wird. Deshalb wurde an der Universität Hildesheim der Weiterbildungsstudiengang "Kulturelle Diversität in der musikalischen Bildung" entwickelt. Dabei erhalten 20 Studenten eine zweijährige musikethnologische und -pädagogische Ausbildung. Unter den Teilnehmern aus Ländern wie Georgien, Marokko, der Türkei, Russland, Iran und Deutschland sind Musiker, Lehrkräfte, Elektrotechniker und Sozialarbeiter im Alter von 20 bis 60 Jahren.

Zu dem Studium gehört neben dem Erlernen eines Instrumentes der jeweils anderen Kultur auch der Umgang mit Medien sowie die Gestaltung eines eigenen Praxisprojekts. Jana-Kerstin Lipnicki hat die Veranstaltungsreihe "Transkulturelle Matinee" entwickelt. Von Februar bis April werden Musiker in Wolfenbüttel Lieder aus dem Nordiran, Georgien und Brasilien vortragen und sich darüber mit dem Publikum austauschen.

(wa)

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Neuer Studiengang für Musikvermittlung an der Uni Hildesheim (13.09.2011)

Link:

http://www.uni-hildesheim.de/

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