Von Frank Strobel, Dirigent und Leiter der Europäischen FilmPhilharmonie
Kürzlich wurde ich gefragt, warum viele junge Leute Filmmusik mögen, aber bei klassischer Musik anfangs skeptisch sind. – Nun, zunächst einmal erfordert klassische Musik ein anderes Rezeptionsverhalten. Man setzt sich hin, muss sich sehr konzentrieren und ist nicht anderweitig beschäftigt. Man sitzt einfach. – Das muss man erst einmal können bei den vielen Einflüssen, die heute auf uns einströmen.
Wir klassischen Musiker sollten vor allem nicht versuchen, uns immer komplett auf ein mögliches Publikum einzustellen. Es gibt zwar viele reizvolle Aktivitäten, aus den Konzerthäusern rauszugehen und andere Orte aufzusuchen. Auf diese Weise kann man durchaus ein neues Publikum erreichen. Auch die Arbeit in den Schulen ist enorm wichtig. Aber in einer Philharmonie herrscht eine ganz besondere Atmosphäre. Man ist in einem sehr konzentrierten Zustand, der sich von der sonstigen Welt unterscheidet. Das macht ja gerade den Reiz aus. Da sollten wir die Leute auch fordern.
Vor allem dürfen wir das Publikum nie unterschätzen. Bei den Programmen sollten wir auf dem Qualitätsniveau arbeiten, das wir selber für richtig halten. Damit können wir überzeugen und die Leute durchaus erreichen. Wer so eine konzentrierte Atmosphäre im Konzertsaal einmal erlebt hat, kann dem vielleicht auch etwas abgewinnen. Sicher funktioniert das nicht bei Jedem, das ist auch gar nicht mein Ehrgeiz. Aber die Zuhörer sollten es anhören und erleben können. Dann hat jeder für sich selbst die Möglichkeit zu entscheiden, ob er damit etwas anfangen kann.
Mein ganz persönlicher Weg ist, den Link durch die Filmmusik herzustellen. Einerseits mache ich das natürlich durch die Stummfilme. Aber das ist ein eigenes Genre, eine Erweiterung der Künste. Noch offensichtlicher ist es mit meinen Filmmusikkonzerten. Denn da hantiere ich natürlich auch mit Titeln, die gerade junge Leute aus dem Kino kennen. Kürzlich habe ich zum Beispiel ein Konzert mit der Musik aus "Avatar" aufgeführt. Da haben manche zum ersten Mal gesehen, mit was für einem Apparat wir arbeiten. Gerade "Avatar" ist ja für großen Chor und Orchester geschrieben worden. Die jungen Leute bekamen ein Gespür dafür, wie ein Sinfonieorchester diese Töne produziert. Und sie erkannten bestimmte Melodien wieder. In dem Moment setzte im Kopf etwas ein und sie nahmen die Schwelle hinein in die symphonische Musik.
Wir veranstalten die Filmmusikkonzerte bewusst in den Häusern, wo wir normalerweise Beethoven-Sinfonien spielen. Dann sind die Leute schon einmal dort gewesen. Das finde ich sehr wichtig: Wir holen die Leute zwar teilweise dort ab, wo sie sind. Aber wir gehen nicht hin, sondern holen sie an den Ort, wo die klassische Musik normalerweise stattfindet. Das tut sie ja nicht ohne Grund. Denn ein Konzerthaus ist nun mal der optimale Raum für ein Sinfonieorchester. Da hat man die Konzentration, keine Umweltgeräusche und eine (hoffentlich) gute Akustik – mit anderen Worten den notwendigen Rahmen, um die Musik optimal aufnehmen zu können. Das kann ein Kinosaal gar nicht bieten. Ein gutes Kino muss zum Beispiel von der Akustik her trocken sein. Darin hat ein Orchester eigentlich nichts verloren.
Deshalb denke ich, wir sollten die Leute zu uns holen. Und wenn sie mit dem Orchester ein tolles Erlebnis im Konzerthaus haben, kommen sie vielleicht wieder. Das ist kein Wunschdenken, sondern funktioniert wirklich. Vor Jahren hat die Alte Oper in Frankfurt eine Untersuchung zum Besucherverhalten gemacht. Dort haben wir gerade in den 80er und 90er Jahren sehr viele Konzerte mit Stummfilmen gemacht. Und es wurde ein eindeutiger Effekt nachgewiesen. Insofern denke ich, dass das ein möglicher Weg ist.