München (MH) – Sie ist ein Meisterstück an Transparenz, die Neuinszenierung der "Lady Macbeth von Mzensk" von Dmitrij Schostakowitsch an der Bayerischen Staatsoper. Klarheit und Finesse im Orchester und bei den Sängern, Struktur und Übersicht auf der Bühne. Selten war eine Teamleistung schon bei der Premiere derart spürbar wie am Montagabend im Münchner Nationaltheater.
Dabei hat das Werk an sich zunächst nicht das Zeug zum Selbstläufer. Eine von ihrem impotenten Gatten enttäuschte und in Familienstrukturen gelangweilte Lady, die im Verlauf des Abends Schwiegervater, Ehemann, Liebhaber und sich selbst umbringt – hm, ist das etwas Neues? Ist es nicht. Dass Stalin die Klänge als Chaosmusik abtat, die Oper nach zunächst großem Erfolg von den Bühnen verschwand und Schostakowitsch um sein Leben fürchten musste – Geschichte.
In der Münchner Produktion aber wurde das mehrdeutige skurrile Drama Schostakowitschs deutlich, in dem er eine Frau auf ihrem Weg zu Selbstbestimmung und Eigenstand beschreibt. Anja Kampe in der Titelpartie zeigte in den drei Monologen und nuancenreichen Zwischentönen die ganze Empfindungsbreite von lyrischer Liebessehnsucht, Fürsorgewunsch bis zu verzweifeltem Lebensresümee vor dem dritten Mord und Selbstmord voller Elan und ist auch schauspielerisch sehenswert. Als kurzzeitige Begleiter überzeugten Misha Didyk als hoffnungsvoller, aber enttäuschender zweiter Ehemann Sergej, Sergey Skorokhodov als Ehemann Nr. 1 und Anatoli Kotscherga als Schwiegervater.
Regisseur Harry Kupfer siedelt das Geschehen in einer imposanten Industriearchitektur an, in der das Doppelbett als wichtigster Tatort die Mitte einnimmt. Im 3. und 4. Akt öffnet sich die Halle nach hinten und scheint Katerina während Hochzeit und Sprung in den Fluss auch bildlich einen Ausweg zu bieten. Die Bühne ermöglicht aber auch Effekte, die die zahlreichen musikalischen Einfälle unterstreichen. Kirill Petrenkos bekannt präzise Orchesterarbeit führt zu lyrischen Sternstunden voller solistischer Holzbläser- und Streichermomente ebenso wie die grotesken rhythmischen Gewaltausbrüche mit Schlagwerk und vollem Blech. Schostakowitschs farbenreiche Instrumentierung bietet dem Generalmusikdirektor einen idealen Arbeitsplatz, aber Petrenko gelingt bei aller Feinarbeit auch die große dramatische Geste.
Fazit: Diese Produktion muss sich zu einer der wichtigsten im Spielplan der Bayerischen Staatsoper entwickeln.
(Von Martina Kausch)
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