Frankfurter Oper zeigt "Boris Godunow" in Wagnerlänge

03. November 2025 - 00:29 Uhr

Frankfurt am Main (MH) – Großen Jubel und teils stehende Ovationen ernten am Sonntagabend die vielen Mitwirkenden in Modest Mussorgskis russischer Nationaloper "Boris Godunow", die an der Oper Frankfurt Premiere feierte. Regisseur Keith Warner und Generalmusikdirektor Thomas Guggeis hatten sich mit der selten gespielten Schostakowitsch-Version die längst mögliche Fassung aus dem Jahr 1939/40 vorgenommen. Und entrollen in viereinhalb Stunden auf der Dunkeldüster-Bühne Kaspar Glarners ein gewaltiges Panorama machtpolitischer Intrigen der russischen Geschichte.

"Boris Godunow"

Dabei legen sie Wert auf überzeitliche Allgemeingültigkeit in Bezug auf "Alternative Fakten", religiöse Strippenzieher, Machtgier und sexuelle Unterwerfung. Meisterlich arbeiten sie dabei szenisch und musikalisch mit Chor, Extra- und Kinderchor, die sich einerseits als elende Volksmassen zusammenrotten, andererseits immer wieder in prall gezeichnete, individuelle Charaktere zergliedern. Dirigent Guggeis weiß sowohl Schostakowitschs epischen Breitbandsound in Krönungsszene und gewalttätigem Schlusschor auszukosten, als auch die kammerspielartigen Tableaus Mussorgskis mit feinster Zurückhaltung zu beleuchten.

In Titelpartie und Hausdebüt glänzt Alexander Tsymbalyuk, der den von Schuld zerfressenen Zaren Boris Godunow bereits seit Jahren erfolgreich in der Urfassung an der Bayerischen Staatsoper gesungen hat. Ähnlich gewaltigen Eindruck hinterlässt Andreas Bauer Kanabas als orthodoxer Mönch Pimen, dessen geschichtsrevisionistische "Fake News" tödliche politische Konsequenzen auslösen. Ein überzeugendes Haus- und Rollendebüt gelingt auch Sofija Petrovic in der Rolle der polnischen Wojwoden-Tochter Marina. Als kalte Egoistin der Macht heizt sie dem falschen Dmitry mit ihren erotischen Reizen derart ein, dass er zur Eroberung des Kremls bereit ist.

Bis in kleinste Rollen ist das Frankfurter Ensemble glänzend besetzt: So brillieren Claudia Mahnke als versoffene Schankwirtin ebenso wie Inho Jeong und Peter Marsh, die ihre schrillen Mönchs-Karikaturen Warlaam und Missail kunstvoll ausgestalten. Besonders berührend: Karolina Makula als unschuldiger Godunow-Spross Fjodor, dem nach dem geistig umnachteten Tod des Vaters sofort die Liquidierung droht.

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(bb/wa)

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