(Korrespondentenbericht)
Hamburg – In Hamburg hat mit der Eröffnung der Elbphilharmonie eine neue musikalische Ära begonnen: Nachdem das spektakuläre Konzerthaus der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron bereits als "Jahrhundertbau" und "Klangwunder" gepriesen wurde, werden nun die Musiker vom Publikum stürmisch gefeiert. Nicht nur beim Eröffnungskonzert mit Thomas Hengelbrock und seinem NDR Elbphilharmonie Orchester, das am Mittwoch bis zu drei Millionen Zuschauer an den Fernsehschirmen verfolgten, gab es minutenlangen Applaus im Stehen; auch beim Konzert des Philharmonischen Staatsorchester Hamburg unter Leitung von Kent Nagano am Freitag und beim Auftritt des Chicago Symphony Orchestra unter Leitung von Riccardo Muti am Samstag hielt es die Zuschauer nicht mehr auf ihren Plätzen.
"Wenn man die kreative Begeisterung der Eröffnungsveranstaltungen beurteilt, ist man auf dem Weg, eine Musikkultur zu entwickeln, die genauso optimistisch und eindrucksvoll ist wie das Gebäude an sich", urteilte die "New York Times". Und auch die Kritiker im In- und Ausland bewerteten die Akustik bis auf einige Ausnahmen positiv. "Ein glasklarer Klang. Von erstaunlicher dynamischer Bandbreite, überdeutlich in den Akzenten, voll und weich im Tutti. Man hört, dass es gut ist, und man hört alles", schrieb zum Beispiel "Zeit Online". Für die "Salzburger Nachrichten" hat sich Hamburg mit diesem Saal "zweifelsohne an die Weltspitze katapultiert".
Neben der "Wärme" des Klangs loben viele die "Transparenz" des Saals, der wie die Berliner Philharmonie nach dem Weinberg-Prinzip gebaut ist, nur viel höher und steiler. Da man alles hört – auch das Rascheln mit dem Programmheft – dürfen die Musiker keine Fehler machen und Menschen, die erkältet sind, sollten besser zu Hause bleiben. Der Saal sei so "gnadenlos ehrlich in seiner Akustik", da lasse sich keine Unsauberkeit kaschieren, heißt es im Deutschlandfunk. "Gastdirigenten und Gastorchester müssen mit dieser heiklen Akustik umgehen lernen", hieß es in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Das brauche Zeit, Erfahrung und gute Assistenten, ähnlich wie in Bayreuth.
Während Thomas Hengelbrock eine musikalische Zeitreise von der Renaissance bis zur Gegenwart bot, setzte Kent Nagano zwei Tage später mit der Uraufführung "Arche" von Jörg Widmann alles auf eine Karte – und gewann triumphal. Das für ein großes Orchester, drei Chöre, Orgel und Gesangssolisten geschriebene Weltendrama nahm die Schrecken und Verwüstungen biblischer und heutiger Zeit ebenso aufwühlend ins Visier wie das menschliche Flehen um Frieden und die damit verbundene Aufforderung für selbstverantwortetes menschliches Handeln. Und mit dem Chicago Symphony Orchestra unter Leitung von Riccardo Muti hat der neue Konzertsaal auch den Test auf höchstem internationalen Niveau mit Bravour bestanden.
Aber egal, was auf dem Programm steht und egal, wie die Kritiker die Akustik bewerten, ihre wichtigste Aufgabe hat die Elbphilharmonie schon jetzt erfüllt: Sie begeistert tausende Menschen für klassische Musik – so wie es sich alle erhofft hatten. Und zwar nicht nur die "elitären Schichten", die schon immer in klassische Konzerte gegangen sind, sondern auch zahlreiche Menschen, die bisher nicht so viel mit Klassik anfangen konnten. Glücklich, wer sich rechtzeitig einige der begehrten Karten gesichert hat. So wie der Taxifahrer, der vor 30 Jahren aus Afghanistan nach Deutschland gekommen ist. Er freut sich wahnsinnig auf den Abend mit seiner Familie im neuen Saal. "Welches Konzert?" – "Keine Ahnung – Hauptsache in der Elbphilharmonie!"
(Von Carola Große-Wilde, dpa/MH)
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