Klassik?! Nein Danke?! Ein Erfahrungsbericht eines Unerfahrenen

28. September 2012 - 09:06 Uhr

Von Florian Rohlf (37), Moderator beim Projekt "Zu Gast im Klassenzimmer" des Internationalen Joseph Joachim Violinwettbewerbs in Hannover und Lehrer für Deutsch und Philosophie

Klassik? Was soll ich denn damit? – Das war bis vor Kurzem noch meine Reaktion auf die Frage, ob ich Klassische Musik mag. Und mit dieser Reaktion bin ich wohl auch nicht alleine. Das dachte ich jedenfalls. Jugendliche und Kinder hören doch lieber Hip-Hop oder die Hits der aktuellen Charts. Oder etwa nicht?

Florian Rohlf

Durch meine Tätigkeit für den Joseph-Joachim-Violinwettbewerb, bzw. dessen Begleitprogramm "Zu Gast im Klassenzimmer" bin ich eines Besseren belehrt worden. Ich selbst spiele kein Instrument, habe keinerlei musikalische Ausbildung, geschweige denn eine musikalische Begabung. Und Geigen kenne ich nur von Weitem. Trotzdem organisierte und moderierte ich im Rahmen des Wettbewerbs einige Besuche in verschiedenen Schulen und brachte so Violinistinnen und Violinisten mit Schülerinnen und Schülern zusammen. Die Reaktionen der Grundschüler und Gymnasiasten waren äußerst positiv. Sogar in den Schulen, die keinen besonderen musikalischen Schwerpunkt haben.

Ich erlebte aufgeschlossene und sehr interessierte Kinder und Jugendliche. Sie lauschten gespannt den Ausführungen über das Instrument "Violine", über die Werdegänge der einzelnen Geiger/innen und träumten zu Mozart, Paganini und Bach. Während der Stücke hätte man im Publikum oft eine Stecknadel fallen hören können. Besonders die Kleinsten riefen anschließend laut nach Zugaben. Das allein war schon bemerkenswert. Viele der Schüler/innen spielen selbst ein Instrument, wodurch sich Berührungspunkte und Identifikationsmöglichkeiten ergaben. Die Schüler/innen waren sehr beeindruckt vom Können der Violinist/innen. Natürlich gab es auch Schüler/innen, die für sich persönlich nicht viel aus den Besuchen herausziehen konnten, aber auch diese ließen sich vom Spiel der Geige mitreißen und staunten nicht schlecht über das Talent und die Hingabe der Musiker/innen.

So erfüllten die Schulbesuche mehr als nur ihren eigentlichen Zweck, nämlich den Schüler/innen klassische Musik näher zu bringen: Musik live zu hören und die Musiker dabei in ihrem Spiel beobachten zu können ist etwas anderes, als einer Aufnahme zu lauschen. So wurde auch ich mitgerissen von der sichtbaren und vor allem spürbaren Hingabe der Musiker/innen an ihr Instrument und wir alle, auch diejenigen, die die Werke nicht kannten, konnten beobachten, wie sehr es jemanden erfüllen kann, wenn er oder sie das tut, was er oder sie liebt. Somit hatten die Musiker/innen auch eine Vorbildfunktion für die Schüler/innen. Sie erlebten hautnah, dass man seine Träume verwirklichen kann, wenn man nur bereit ist, genug dafür zu tun, auch wenn dies bedeutet, Opfer zu bringen und andere Dinge vernachlässigen zu müssen. Damit verbunden wurde auch klar, dass Klassik nicht "tot" ist, sondern von jungen, talentierten und engagierten Menschen gelebt wird, dass sie sich nicht in altehrwürdigen Konzertsälen versteckt, sondern ihren Weg hin zu den Menschen sucht und findet.

Für mich persönlich ist die Geige durch meine Arbeit (auch wenn ich dieses Wort für unpassend halte, da es sich nicht so anfühlte…) zwar nicht zu meinem Lieblingsinstrument geworden, aber die Erfahrungen, die ich gemeinsam mit den Musikerinnen und Musikern und den Schülerinnen und Schülern gemacht habe, haben mir gezeigt, dass es nicht so sehr darauf ankommt, welcher Musik man zuhört, sondern vielmehr darauf, auf welche Art und Weise sie gespielt wird.

Bezogen auf meine Fragen zu Beginn kann ich nun antworten: ich zähle mich zwar zu den Menschen, die bislang nie ihren Weg in einen Konzertsaal gefunden haben, aber auch klassische Musik kann mich bewegen und inspirieren. Und nicht nur mich. Die Kinder und Jugendlichen, die wir in ihren Schulen besucht haben, waren ein dankbares Publikum und ich habe erkannt, dass sich viele von ihnen privat auch mit klassischer Musik beschäftigen und nicht nur mit Justin Bieber oder Sido & Co. Meiner Auffassung und Erfahrung nach tragen Projekte wie "Zu Gast im Klassenzimmer" dazu bei, jungen Menschen zu zeigen, wie vielfältig die Musik ist und wie lebendig auch "alte" Musik im Speziellen sein kann. Das war allerorts spürbar.

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