Kinshasa Symphony

29. April 2013 - 08:01 Uhr

Montag, 29. April 2013 / 23:15 – 00:50 Uhr
WDR-Fernsehen

Dokumentation (Deutschland 2010) In völliger Dunkelheit spielen 200 Orchestermusiker Beethovens Neunte – "Freude schöner Götterfunken". Denn wenige Takte vor dem letzten Satz ist der Strom ausgefallen. Probleme wie dieses sind noch die kleinste Sorge des einzigen Symphonieorchesters in Zentralafrika. In den fünfzehn Jahren seiner Existenz haben die Musiker zwei Putsche, mehrere Krisen und einen Krieg überlebt. Doch da ist die Konzentration auf die Musik, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Der Film von Claus Wischmann und Martin Baer zeigt Menschen in Kinshasa, einer der chaotischsten Städte der Welt, die eines der komplexesten Systeme menschlichen Zusammenlebens aufbauen: ein Symphonieorchester.

Joséphine Nsimba

Die meisten Orchestermitglieder sind Autodidakten und Amateure. Selbst für diejenigen, die das Glück haben, über eine Berufsausbildung und halbwegs geregelte Arbeit zu verfügen, ist der Alltag in der Acht-Millionen-Metropole Kinshasa ein Kampf ums Überleben. Für viele beginnt der Arbeitstag um sechs Uhr morgens, oft noch weit früher für diejenigen, die sich die Fahrt im Sammeltaxi nicht leisten können und ihren kilometerlangen Arbeitsweg zu Fuß zurücklegen. Trotzdem wird abends bis in die Nacht hinein geprobt – und das praktisch jeden Tag.

Einer der Musiker ist Albert Matubanza. Er hat vielen Streichern im Orchester die Noten und ihr Instrument erklärt. Dabei ist er selbst Gitarrist und kann weder Geige noch Cello spielen. Gerade baut er an einem neuen Kontrabass für das Ensemble. Andere Handwerker unter den Orchestermitgliedern haben inzwischen eine ganze Kollektion von oft selbst erfundenen und gebauten Werkzeugen, um jede erdenkliche Reparatur eines Instruments durchzuführen. Nebenbei schneidern die Musikerinnen und Musiker ihre Anzüge und Kleider für die Auftritte selbst, organisieren die Beschaffung von Noten und sorgen während der langen Probenabende für die Beaufsichtigung der Kinder.

Auch Joséphine Nsimba muss um fünf Uhr aufstehen. Dann fährt sie zum größten Markt Kinshasas, um Eier zu verkaufen. Ihre monatlichen Einnahmen reichen gerade für die Wohnungsmiete. Weil die importierten Eier aus Brasilien und den Niederlanden die Preise kaputt machen, ist es ein schweres Geschäft. Ohne Pause geht es anschließend zur Probe. Sie gehörte zu Alberts ersten Cello-Schülerinnen. Heute sind die beiden verheiratet. Ihr achtjähriger Sohn Armand ist seit langem krank. Trotz der hohen Kosten entscheiden sich Albert und Joséphine schließlich für eine Operation.

Joseph Masunda Lutete ist Elektriker und Friseur. Im Orchester ist er für die Bratsche und für das Licht zuständig. Wenn bei den Proben wieder einmal der Strom ausfällt, ist Joseph gefragt. Um den Widrigkeiten der Elektrizitätsversorgung in Kinshasa zu trotzen, hat er für seinen Friseursalon einen Rasierapparat mit besonders langer Akkulaufzeit angeschafft. Nathalie Bahati – Querflötistin – sucht nach einer neuen Wohnung für sich und ihren kleinen Sohn. Kein einfaches Unterfangen mit wenig Geld in der Tasche in einem Moloch wie Kinshasa.

Armand Diangienda ist Dirigent, ausgebildeter Pilot und Gründer des Orchesters. Er ist der Enkel von Simon Kimbangu, eines im Kongo hochverehrten Märtyrers, der gegen die belgischen Kolonialisten kämpfte und eine eigene Kirche begründete. Schon sein Großvater gab ihm mit auf dem Weg, dass er ein Orchester gründen solle. In den Anfangsjahren teilten sich einige Dutzend Musikbegeisterte die wenigen Instrumente. Damit jeder an die Reihe kam, wurde in mehreren Schichten geprobt. Heute stehen bei Konzerten des "L’Orchestre Symphonique Kimbanguiste" 200 Musikerinnen und Musiker auf der Bühne.

Zum Unabhängigkeitstag der Demokratischen Republik Kongo plant das Orchester ein großes Open Air Konzert. Mehrere tausend Zuschauer werden erwartet. Nur wenige haben Erfahrung mit klassischer Musik. Auf dem Programm: Beethovens Neunte, Carmina Burana, Werke von Dvorak und Verdi. Doch Armand Diangienda weiß: Noch klingen die heiklen Musikpassagen nicht sehr überzeugend. Und auch der Chor kämpft mit den Tönen und der deutschen Sprache. Aber der Tag des Konzerts rückt immer näher.

(pt/wa)

Trailer:

Mehr zu diesen Schlagwörtern: , ,
Print Friendly