Mittwoch, 03. Dezember 2014 / 21:00 – 21:45 Uhr
NDR-Fernsehen
Dokumentation (Deutschland 2014, Erstausstrahlung) Ein Instrument der Wilhelm Schimmel Pianofortefabrik in Braunschweig besteht aus bis zu 10.000 Einzelteilen. Und seine Fertigung kann bis zu einem Jahr dauern. "Jeder Flügel, jedes Klavier hat eine Seele", weiß Karl-Heinz Habermann. Diese Individualität, den unverwechselbaren Klang muss der Klavierbaumeister bei der Endabnahme der neuen Pianos jedes Mal aufs Neue erspüren. Sonst verlässt das Instrument, das den Preis eines Mittelklassewagens erreichen kann, die Fabrik nicht.
Bereits seit 1885 fertigt das Unternehmen Konzertflügel und Klaviere und steht immer noch unter Familienleitung. Es ist ein Handwerk alter Schule, das die Klavierbauer, Tischler, Schlosser und Holzmechaniker beherrschen müssen. Die Liebe zum Detail ist überall zu spüren. Viele Musiker schwören auf die Wertarbeit aus Niedersachsen. Dazu zählte der Urwaldarzt Albert Schweitzer, der eigens ein tropentaugliches Klavier nach Afrika geliefert bekam, oder Udo Jürgens, der Schimmels "Gläsernen Flügel" bekannt machte. Der Schlagersänger erzählt in diesem Film vom besonderen Verhältnis zu seinen Klavieren von Schimmel.
Das Braunschweiger Traditionsunternehmen hat sowohl große Erfolge als auch harte Zeiten erlebt. Mal produzierte es bis zu 10.000 Klaviere im Jahr, mal musste es nach einer Insolvenz mit drei Mitarbeitern wieder von vorne anfangen. Ein Chef hätte beinahe den Fabriksessel mit dem Lenkrad eines Rennautos getauscht. 2009 überlebte die Firma sogar die zweite Insolvenz und produziert immer noch Klaviere und Flügel, deren Holz nur von einer bestimmten Baumsorte im Bayerischen Wald stammen darf.
1944 wurde die Firma komplett zerstört und von den Mitarbeitern selbst wieder aufgebaut. Unmittelbar nach dem Krieg stellten die Braunschweiger erst einmal dringender gebrauchte Dinge her: Schulmöbel und Särge. Für diesen Film geht Seniorchef Nikolaus Schimmel in Bauerndörfern auf die Suche nach dem ersten, nach dem Zweiten Weltkrieg gebauten Klavier: Der Auftraggeber bezahlte damals nicht mit Geld, sondern mit Schweinen.
(pt/wa)