Salzburg – Der Salzburger Festspielchef Markus Hinterhäuser ist erklärtermaßen kein Freund von Event-mäßig aufgepeppten Opern-Uraufführungen. Er meint, dass es sehr viele, auch moderne Musiktheaterschöpfungen gibt, die es lohnen, wieder einmal gespielt zu werden. Ein solches Werk sind Hans Werner Henzes "The Bassarids" ("Die Bassariden"), die 1966 bei den Salzburger Festspielen herauskamen und seither als Klassiker des Opernschaffens im 20. Jahrhundert gelten. Das Wiedersehen am Donnerstagabend in der Felsenreitschule zum Abschluss des Opernpremieren-Reigens bestätigte zumindest dessen musikalische Qualitäten.
Die zweieinhalbstündige, in der englischen Originalsprache gesungene Oper nach "Die Bakchen" des Euripides handelt von der Rache des Gottes Dionysus an Pentheus, dem König von Theben. Pentheus unterdrückt den Kult um Semele, die vom Volk von Theben verehrt wird, weil sie mit Zeus, dem Göttervater höchstselbst, liiert war und mit ihm ein Kind, den Halbgott Dionysus gezeugt haben soll. Semele ist zugleich die Schwester von Pentheus Mutter Agave. Pentheus wird schließlich in einer Art religiöser Ekstase von seiner eigenen Mutter getötet.
Im allgemeineren Sinne geht es um den Kampf von Ratio und Rausch, Vernunft und Unvernunft, Kontrolle und Hingabe. Für den Kommunistenfreund und eingefleischten Antifaschisten Henze hatte die Oper eine eminent politische Dimension. Dionysus steht für die Verführungskraft unmittelbar erlebter Sinnlichkeit, Pentheus für das genaue Gegenteil, die nicht minder gefährliche Unterdrückung von Emotion und Eros. Beides kann in totalitäre Strömungen münden.
Der polnische Regisseur Krzysztof Warlikowski scheint sich vor allem für das antike Drama zu interessieren, das er nach dem Libretto von W.H. Auden und Chester Kallman sehr textgetreu inszeniert. Die Riesenbühne der Felsenreitschule (Bühne und Kostüme: Malgorzata Szczesniak) ist dreigeteilt: Ganz rechts das Schlafzimmer des Königs, in dem er am Ende von seiner Mutter und deren Schwester Autonoe mit einem Beil geradezu geschlachtet wird; in der Mitte eine Art Thronsaal mit Billardtisch, auf dem der abgeschlagene Kopf des Pentheus und seine in Plastikbeuteln verpackten Körperteile zu liegen kommen; ganz links die Sphäre des Semele-Kults und des Berges Kytheron, auf dem sich die Anhänger des Dionysus ihrem bacchanalen Treiben hingeben.
Zeitlich verortet wird das alles in einem Ambiente, das an die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts erinnert. Der Hauptmann des Pentheus und seine Soldaten tragen Uniformen der heutigen italienischen Polizei. Wer mag, kann eine Verbindung ziehen zwischen dem Faschismus Mussolinis und der seit kurzem amtierenden populistischen Regierung in Rom.
Trotz diverser nackter Frauen, die sich onanierend in die Scham greifen, und viel Theaterblut ist das alles recht brav, manchmal fast kitschig inszeniert. Kent Nagano trimmt den mit Schlagzeugbatterien verstärkten Riesenapparat der Wiener Philharmoniker auf dionysischen Schönklang, was dem Bonmot zu entsprechen scheint, dass Henze mit seinen "Bassariden" die einzige Oper Gustav Mahlers komponiert habe.
Vokales Zentrum der Aufführung ist der junge US-Tenor Sean Panikkar, der einen ziemlich zwielichtigen Dionysus verkörpert und Assoziationen an islamistische Hassprediger weckt. Sein ebenso schlanker wie kraftvoller Tenor wurde zu Recht bejubelt. Etwas blass wirkt der kanadische Bariton Russell Braun als Pentheus, während die gefeierte Mezzosopranistin Tanja Ariane Baumgartner als Agave und die Sopranistin Vera-Lotte Böcker als Autonoe einem Splatter-Movie alle Ehre gemacht hätten.
(Von Georg Etscheit, dpa/MH)
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