"Kultur muss Brücken bauen" – Scheidender Konzerthaus-Intendant Nordmann zieht Bilanz

26. Juni 2025 - 20:22 Uhr

Berlin (MH) – Nach 16 Jahren als Intendant hat sich Sebastian Nordmann vom Publikum des Berliner Konzerthauses verabschiedet. "In diesem Saal habe ich mehr als 1.000 Konzerte erlebt", sagte er am Donnerstag sichtlich bewegt vor einem Konzert unter Leitung von Chefdirigentin Joana Mallwitz. Seinem Nachfolger Tobias Rempe wünschte er "ebenso viele musikalische Sternstunden". Bei der Zugabe, "Mambo" aus Leonard Bernsteins "West Side Story", mischte sich Nordmann als Gag unter die Schlagzeuger.

Sebastian Nordmann (re.) Joana Mallwitz

Sebastian Nordmann (re.)
und Joana Mallwitz

Der gebürtige Kieler tritt zum 1. Januar 2026 beim Lucerne Festival in der Schweiz die Nachfolge von Michael Haefliger an. Nordmann war seit September 2009 als Intendant des Konzerthauses und des Konzerthausorchesters tätig, nachdem er unter anderem erfolgreich die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern geleitet hatte. Wie der 54-Jährige dem Berliner Publikum verriet, wird das Konzerthausorchester mit Mallwitz im Sommer 2026 beim Lucerne Festival debütieren.

"Als ich in Berlin anfing, hatte ich eine klare Vision", sagt er im Interview der Nachrichtenagentur MUSIK HEUTE. "Die Euphorie, die ich bei Festivalkonzerten spürte, wollte ich auch in dieses Haus hineintragen. Gemeinsam mit dem damaligen Chefdirigenten Iván Fischer habe ich dann Ideen entwickelt, um Musik nahbar zu machen."

In Nordmanns Amtszeit wurden etwa "Espresso-Konzerte" am frühen Nachmittag und das Format "Mittendrin" eingeführt, bei dem das Publikum zwischen den Musikern auf der Bühne sitzt. Seine Programmplanung sei immer genau auf die Künstler zugeschnitten, die durch die Musik eine direkte Beziehung zum Publikum aufbauten, erklärt er. Fischer gastiere weiterhin regelmäßig am Haus, ebenso wie Christoph Eschenbach, der ab 2019 vier Spielzeiten lang das Orchester leitete.

Als Lieblingsprojekt während seiner Intendanz nennt er die Hommage-Reihe, bei der nach großen Dirigenten wie Leonard Bernstein, Kurt Sanderling oder Nikolaus Harnoncourt im vergangenen Jahr auch die Pianistin Elisabeth Leonskaja geehrt wurde. "Diese Hommage war sehr bewegend", erinnert sich Nordmann. "Elisabeth Leonskaja hatte eine enge Verbindung zu Kurt Sanderling, der hier als Chefdirigent über viele Jahre prägend war." Das "Hegen und Pflegen" der Tradition ist für ihn ein wichtiger Bestandteil der Orchesterkultur. "Zu Zeiten von Sanderling war das Orchester bekannt für seine Schostakowitsch-Interpretationen. Mit Fischer haben wir großartige Mahler-Konzerte erlebt, Eschenbach beeindruckte uns mit Brahms und Bruckner."

Künstler wie Mallwitz oder der Pianist Igor Levit repräsentierten nun die nächste Generation. "Joana Mallwitz zieht auch mit zeitgenössischer Musik viele Leute an", stellt Nordmann fest. "Wir müssen weiter daran arbeiten, dem Publikum zu vermitteln, dass diese Musik unsere heutige Lebensrealität widerspiegelt. Das betrachte ich auch als eine meiner zentralen Aufgaben beim Lucerne Festival."

Um die Zukunft der klassischen Musik macht sich Nordmann trotz einschneidender Kürzungen in der öffentlichen Kulturfinanzierung keine Sorgen. "Das Konzerthaus kann bei all seinen Veranstaltungen eine hohe Auslastung vorweisen. Das zeigt, dass die Menschen unbedingt zu uns kommen wollen. Unsere Aufgabe als öffentlich geförderte Kulturinstitution ist es, täglich neben der Qualität und Aktualität auch die Relevanz unserer Institutionen deutlich zu machen. Intendanten müssen dies lautstark kommunizieren und die Politiker davon überzeugen, Konzert- und Opernhäuser weiterhin angemessen zu unterstützen."

Zu politischen Kontroversen, die zunehmend auch im Kultursektor ausgefochten werden, vertritt Nordmann eine deutliche Haltung. "Wir müssen nicht ständig zu allem etwas sagen. Wir dürfen aber vor allem dann nicht schweigen, wenn es um den Erhalt der Demokratie und um unser gesellschaftliches Miteinander geht. Ich sehe es als eine der wichtigsten Aufgaben der Kultur, Brücken zu bauen."

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(Von Corina Kolbe)

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