Verschollenes Singspiel "Das Orakel" vor dem Reißwolf gerettet

12. März 2012 - 17:12 Uhr

Lange galt "Das Orakel" von Johann Adam Hiller, einem Zeitgenossen Mozarts, als verschollen. Doch Ende vergangenen Jahres tauchte eine Notenhandschrift des Singspiels auf: in einer Thüringer Recycling-Firma. Der vollständige Klavierauszug aus dem 18. Jahrhundert lag bereits auf dem Sortierband. Mitarbeiter, die anonym bleiben wollen, retteten die knapp 140 Seiten wenige Meter vor dem Reißwolf. Die Notenhandschrift ging als Schenkung an das Hochschularchiv der Hochschule für Musik "Franz Liszt" Weimar, das zugleich Thüringisches Landesmusikarchiv ist. Dort wurde der Fund am Montag der Öffentlichkeit präsentiert.

Notenhandschrift "Das Orakel"

Völlig unbekannt ist, woher diese umfangreiche Handschrift genau stammt und auf welchen Wegen sie in die Recycling-Firma gelangte. Archivleiter Christoph Meixner dankte ausdrücklich den aufmerksamen Mitarbeitern, dass sie dieses Stück der Musikgeschichte vor dem endgültigen Verlust gerettet haben. Die Notenhandschrift werde nun unter bestmöglichen klimatischen und sicherheitstechnischen Bedingungen für die Nachwelt erhalten und künftig der Forschung zur Verfügung gestellt. Auch eine Aufführung in Weimar sei denkbar.

Das zweiaktige Stück basiert auf einem Text von Christian Fürchtegott Gellert aus dem Jahr 1747. Es erzählt von der mächtigen Oberzauberin, ihrem Sohn Alcindor, der gerade die Liebe zu entdecken beginnt, und der Prinzessin Lucinde. Ein Orakel hat der Zauberin geweissagt, dass Alcindor sein größtes Glück – eine Prinzessin – nur finden könne, wenn er sich dieser gegenüber als taub, stumm und gefühllos zeige. Vor vielen Jahren hatte die Zauberin ein Mädchen entführt und im Schloss in der Umgebung von Maschinenwesen aufgezogen. "Zufällig" war es die Tochter eines benachbarten Fürsten. Die Zauberin kann das Mädchen davon überzeugen, dass alle Männer nur Maschinen seien, ohne Vernunft und Verstand. Als der junge Sohn dem Mädchen wie ein Roboter übergeben wird, führt sie ihn wie einen dressierten Hund vor. Doch das Ende der Geschichte: Prinzessin Lucinde erkennt, dass auch Männer Wesen aus Fleisch und Blut und voll Wärme sind. Beide finden in Liebe zu einander, und der Orakelspruch hat sich somit erfüllt.

"Das Orakel" (1753) ist ein Frühwerk von Johann Adam Hiller (1728-1804), der zu Lebzeiten ein hochberühmter Musikschriftsteller, Komponist und Leipziger Thomaskantor war. Mit seinen späteren Singspielen (unter anderem "Die Jagd", in Weimar 1770 uraufgeführt) feierte Hiller große Erfolge und wurde damit zum Wegbereiter der deutschsprachigen Singspieltradition. Auch als Musikschriftsteller hat er das Musik- und Theaterleben in Deutschland in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts maßgeblich geprägt.

(wa)

http://www.hfm-weimar.de/

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Das Lustspiel "Das Orakel" von Christian Fürchtegott Gellert

 

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