Festivalleiterin Jennifer Dautermann: "Es war Zeit, dass jemand einen Schauplatz bot" für moderne Klassik und elektronische Clubmusik

22. November 2011 - 10:36 Uhr

Das C3 Festival bewegt sich musikalisch zwischen zeitgenössischer Klassik und elektronischer Clubmusik. 2009 fand es erstmals statt. Nur zwei Jahre später kommt C3 (Club Contemporary Classical) wieder – größer, länger und umfangreicher. Die Initiatorin und Künstlerische Leiterin des Festivals, Jennifer Dautermann, gab dem Nachrichtenmagazin musik heute das folgende Interview.

Jennifer Dautermann

musik heute: Wo liegen Ihre eigenen musikalischen Wurzeln?

Jennifer Dautermann: Ich komme aus Detroit, da ist man ganz anders mit Klassischer Musik umgegangen als hier. Sie wurde nicht wie ein Heiligtum behandelt, es gab nur gute Musik und schlechte Musik. Wir haben nicht zwischen E- und U-Musik entschieden, das Konzept kannten wir gar nicht. Klassik ist einfach Musik wie andere Arten. Ich selbst höre sie genau wie Punk, Motown und Hillbilly Musik.

musik heute: Wie sind Sie auf die Idee zum C3 Festival gekommen?

Jennifer Dautermann: Ich wurde in der klassischen Musik ausgebildet. Schon während des Studiums war Moderne Musik meine Leidenschaft. Vor ein paar Jahren habe ich für die Kunstabteilung des British Council die Berliner Clubkultur untersucht. Dabei habe ich entdeckt, dass es viele Projekte gibt, die sich in dieser Zwischenzone bewegen. Ich dachte mir, wenn da so viel passiert, ist es Zeit, dass jemand dafür einen Schauplatz bietet. So ist das entstanden.

musik heute: Was ist das Besondere am C3 Festival?

Jennifer Dautermann: Classic-Club-Veranstaltungen an sich sind ja nicht neu. Aber beim C3 Festival gibt es nur Neue Musik, keine Bach-Remixe oder ähnliches. Wir bringen Neue Klassische Musik und elektronische Clubmusik – von populären DJ-Sachen und strukturiertem Techno bis zu Ambient und experimentellen Klängen.

musik heute: Wie wählen Sie die teilnehmenden Musiker aus?

Jennifer Dautermann: Zuerst recherchiere ich, wer in das Konzept passen könnte. Ich versuche, Werke mit hoher Qualität auszuwählen. Andererseits soll die Musik nicht zu intellektuell und zu akademisch sein. Denn ich will, dass man sie mit dem ganzen Wesen erleben kann, nicht nur mit dem Gehirn. Die Leute sollen den Abend genießen.

musik heute: Können die Musiker auch Einfluss auf das Festival nehmen?

Jennifer Dautermann: Die Künstler schlagen natürlich ihre eigenen Programme vor, die ihrer Meinung nach in das Festival-Konzept passen. Dann höre und sehe ich mir ihre Aufnahmen und Videos an. Anschließend reden wir darüber. Es ist sehr viel Kommunikationsarbeit.

musik heute: Gibt es Musiker, über deren Teilnahme Sie sich besonders freuen?

Victoire

Jennifer Dautermann: Ja! "Victoire". – Das Frauenensemble aus New York habe ich im Januar 2010 kennengelernt. Damals hat eine befreundete Pianistin für mich ein privates Artist-Dinner veranstaltet und Musiker der New Yorker Underground-Szene eingeladen. Dazu zählten auch "Victoire". Ein paar Monate später haben sie ihr erstes Album veröffentlicht, "Cathedral City". Alex Ross, der Autor von "The Rest is Noise", hat es unter seine Top-10-Alben des Jahres gewählt. Eigentlich wollte ich der Gruppe ihr Europa-Debüt geben. Das hat nicht ganz geklappt, aber es wird ihr Deutschland-Debüt. Darüber freue ich mich sehr. Ihre Musik ist ein bisschen dunkel, träumerisch, eine wunderbare Verschmelzung von romantisch angehauchter Neuer Musik, Klassik, Pop und elektronischer Musik.

Aber ehrlich gesagt fällt es mir schwer, mich jetzt auf einen Namen zu beschränken. Denn eigentlich kann ich alle Künstler des Festivals nur sehr empfehlen. Manche sind mehr aus der Neue-Musik-Ecke und andere eher aus der Club-Musik-Ecke – es ist eine breite Mischung von Ansätzen.

musik heute: Das C3 Festival  findet diesmal an vier Orten in drei Städten statt: In Berlin im Berghain und im Radialsystem V sowie in Essen und Danzig. Warum gerade diese Orte?

Jennifer Dautermann: Im Berghain hat das C3 Festival 2009 angefangen. Da kommen Leute hin, die zum Beispiel zur Yellow Lounge gehen. Es ist ein Publikum, das sich eher für Clubaktivitäten interessiert, anspruchsvolle Clubmusikfans. Das Radialsystem hat Interesse gezeigt, und ich wollte seine Zielgruppe erreichen. Das dortige Publikum ist genauso abenteuerlustig und hungrig auf Neues, ist aber mehr von der E-Musik geprägt. Somit ist das auch eine der Hauptzielgruppen für C3.

Der Welterbe Zollverein in Essen hatte auch großes Interesse. Die haben eine Partnerschaft mit der Essener Philharmonie geschaffen, um das zustande zu bringen. Dort habe ich atemberaubende Locations gefunden: alte Industriegelände, die genau wie in Berlin für eine neue Nutzung umgebaut wurden. Das fand ich passend für das Konzept. Denn C3 hat zu tun mit einer älteren Struktur – Klassik -, die neu umgedacht ist, neue Inspirationen, neue Einflüsse.

Auf Danzig bin ich durch einen Besuch beim On Sound Festival in Krakau 2009 gekommen. Das Programm und das junge polnische Publikum haben mich umgehauen. Da habe ich viele Leute getroffen und wollte einen Austausch mit ihnen machen. Also nicht nur C3 da hinbringen, sondern einen echten Austausch. Deshalb habe ich für Danzig Michal Jacaszek als Co-Kurator ausgewählt. Er ist selbst Musiker, und die polnischen Künstler sind alle von ihm ausgewählt, nicht von mir.

musik heute: Wie unterscheiden sich die Programme?

Brandt Brauer Frick

Jennifer Dautermann: Die Programme sind für jeden Ort maßgeschneidert. Im Berghain gibt es eher härtere, dunklere Sachen. Die mehr Hochkultur-angehauchte Musik findet im Radialsystem statt. In Berlin treten unbekanntere Künstler auf. Das ist mit Absicht gemacht. Es ist zwar nicht so gut für den Ticketverkauf. Aber Berlin ist schon so übersättigt, deshalb will ich den Leuten etwas zeigen, was sie noch nicht gehört haben.

In Essen ist es eher umgekehrt, da haben wir zwei Headliner, Francesco Tristano und das Brandt Brauer Frick Ensemble. Da sind die Leute vielleicht etwas skeptisch und fragen sich, was das für ein Festival ist. Deshalb die Idee, sie mit den Headliner anzulocken, gemischt mit unbekannten Namen. Aber nichts was zu hart ist, die sollen kein zu hartes Zeug bekommen.

In Danzig sind es nur polnische und deutsche Künstler. Und die deutschen Musiker treten nur dort auf, nicht in anderen Städten des Festivals. Mit der Auswahl wollen wir einen Überblick geben über die Alternativ-Klassikszene in Deutschland. Es soll eben ein Austausch sein.

musik heute: Was planen oder wünschen Sie sich für die Zukunft des C3 Festivals?

Jennifer Dautermann: Zunächst soll es 2013 wieder stattfinden. Die Zeit braucht man, auch wegen der Förderanträge. Außerdem möchte ich dann mindestens eine Auftragsarbeit präsentieren, das erfordert natürlich noch mehr Förderung. Insgesamt gibt es drei Komponisten, denen ich gerne Aufträge erteilen würde. In meinen Träumen würde ich alle drei nehmen können. Aber wenn ich erstmal einen kriege, bin ich auch schon happy. Außerdem würde ich das Festival gerne in noch ein weiteres Land ausbreiten. Dazu laufen schon Gespräche, über die ich aber noch nichts genaueres sagen kann. Auf alle Fälle ist es ein Ort, den man bestimmt nicht erraten würde…

(Die Fragen stellte Wieland Aschinger.)

http://www.c3festival.de/

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