München – Noch zwei Spielzeiten, dann verabschiedet sich Nikolaus Bachler als Intendant der Bayerischen Staatsoper. Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen, mit Gewohnheiten zu brechen. Wie wichtig ihm Veränderungen sind, zeigt das Thema, unter dem die Spielzeit 2019/20 an dem Haus steht. "Kill your Darlings", töte deine Lieblinge – Bachler versteht darunter eine Aufforderung, loszulassen. Er selbst hat damit kein Problem. "Theater braucht den Wechsel und die Veränderung. Zehn, zwölf Jahre ist ohnehin mehr als genug", sagte er anlässlich der Vorstellung des neuen Spielplans am Sonntag im Interview der Deutschen Presse-Agentur in München. Wehmut verspürt er nicht: "Theater passiert im Moment, dieser Moment ist unwiederholbar, ist weg. In dem Sinne müsste man jeden Abend wehmütig sein."
Frage: Die neue Spielzeit steht unter dem Thema "Kill your Darlings", töte deine Lieblinge. Was hat das Publikum zu erwarten?
Antwort: In dem Sinne, wie wir damit umgehen, heißt "Kill your Darlings" eigentlich nichts anderes als loslassen. Das ist einer der zentralen Begriffe der Kunst überhaupt. Immer wieder sich zu trennen, immer wieder nach Neuem zu suchen und Neues zu entdecken, heißt aber auch immer wieder Abschied zu nehmen. Ich finde den Begriff auch fürs Publikum so wichtig. Wir kämpfen sehr viel mit Sehgewohnheiten. Das ist auch ein Appell ans Publikum: Schaut neu hin.
Frage: Sie wollen die Zuschauer raus aus der Komfortzone holen?
Antwort: Das muss man riskieren. Und wenn man das riskiert, muss man auch das Scheitern riskieren, man kann ja nicht so tun als ob. "Kill your Darlings" ist, wenn Sie so wollen, mit echtem Blut geschrieben, etwas aufzugeben, um an ein neues Ufer zu gelangen. Das ist eine Reise übers unbekannte Meer.
Frage: Viele der neuen Stücke an der Staatsoper sind für das Publikum auch so etwas wie das unbekannte Meer.
Antwort: Das sind fast alles Randstücke. Außer dem "Falstaff" findet man keine Neuproduktion aus dem Kanon des sogenannten gängigen Repertoires. Das sind entweder Werke aus dem 20. Jahrhundert oder ganz Neues wie "The Snow Queen" von Hans Abrahamsen. Giuseppe Verdis "I Masnadieri" etwa wurde niemals in der Bayerischen Staatsoper gespielt, und mit "7 Deaths of Maria Callas" präsentieren wir auch eine Uraufführung. Es sind Werke, mit denen wir im übertragenen Sinne sagen: "Jetzt verabschiedet Euch mal von Bekanntem wie Puccini und Wagner und schaut woanders hin." Wir haben an der Bayerischen Staatsoper auch ein Publikum, das neugierig ist, nicht nur "Rigoletto" und "La Traviata" sehen will.
Frage: Sehen Sie das als Ergebnis Ihrer Intendanz, dass sie das Publikum mit neueren Stücken vertraut gemacht haben?
Antwort: Wir haben uns schon sehr mit zeitgenössischen Stücken beschäftigt. Ich würde sagen, dass die Hälfte dessen, was wir erarbeitet haben, Werke des 20. Jahrhunderts sind. Wir haben auch immer auf Opern geachtet, die nicht viel gespielt worden sind. Man hätte natürlich auch schon längst mal "Carmen" oder "La Bohème" erneuern sollen, aber man kann nicht alles machen."
(Interview: Cordula Dieckmann, dpa)
Mehr zu diesem Thema:
➜ Petrenko: Bayerische Staatsoper "liebgewordene Heimat"
(17.03.2019 – 15:27 Uhr)
➜ Weitere Artikel zur Bayerischen Staatsoper
Link:
© MUSIK HEUTE. Alle Rechte vorbehalten – Informationen zum Copyright