Visuelles Feuerwerk: Strawinsky und Ravel an Komischer Oper Berlin

29. Januar 2017 - 12:42 Uhr

Berlin (MH) – Bunte Vögel flitzen über die Leinwand, bevor sie sich nach einer Rolle vorwärts in Menschen verwandeln. Allerdings nur im Film. Dafür erwachen der Clown, die Akrobatin und der Muskelmann aus Igor Strawinskys Ballett "Petruschka" auf der Bühne der Komischen Oper tatsächlich zum Leben. In der fantasievollen Inszenierung der britischen Theatergruppe "1927", die auf computergesteuerten Animationen basiert, werden die russischen Jahrmarktfiguren von drei echten Zirkusartisten verkörpert.

"L'Enfant et les Sortilèges"

"L’Enfant et les Sortilèges"

Auch bei der Aufführung von Maurice Ravels Kurzoper "L’Enfant et les Sortilèges" sind die Ebenen des Trickfilms und der dreidimensionalen Bühnenhandlung eng miteinander verschränkt. Das fulminante Feuerwerk optischer Reize lässt die Musik bei der von Markus Poschner dirigierten Doppelpremiere am Samstagabend fast ein bisschen zur Nebensache werden.

Die Idee, Strawinskys 1911 in Paris durch die Ballets Russes uraufgeführtes Tanzstück in Filmbilder zu übersetzen, ist nicht neu. Bereits 1956 zeigte der US-Fernsehsender NBC eine animierte Version des Balletts, das vom Komponisten selbst dirigiert wurde. Zusammen mit dem Animationskünstler Paul Barritt haben die Regisseurinnen Suzanne Andrade und Esme Appleton nun Animationstechniken des 21. Jahrhunderts mit dem Varieté-Theater verbunden.

Die Akrobaten Tiago Alexandre Neta Fonseca (Petruschka), Pauliina Räsänen und Slava Volkov erhielten für ihre gewagten Kunststücke großen Applaus. Aussehen und Gestik des tollpatschigen Petruschka, der vor dem tyrannischen Puppenspieler in die Freiheit entkommt, erinnerten an den Stummfilmstar Buster Keaton.

"Petruschka", hier in der von Strawinsky 1947 revidierten Fassung, kommt ohne Worte aus. In Ravels "Kind und der Zauberspuk" sind dagegen auch Sänger, der Kinderchor der Komischen Oper und das Vocalconsort Berlin zu erleben. In dem 1925 uraufgeführten Einakter, zu dem die Schriftstellerin Colette das Libretto schrieb, singt die deutsch-syrische Sopranistin Nadja Mchantaf mit komödiantischem Geschick die Rolle des bösartigen Kindes, das in seinem Zimmer wütet.

Das Regieteam inspirierte sich offenbar an Comic-Filmen wie "Dennis the Menace" oder der Filmserie "Die kleinen Strolche". Die von dem Jungen malträtierten Gegenstände, etwa ein Sessel, eine Teekanne, eine Uhr und Figuren auf der Tapete, werden nach und nach lebendig und drehen den Spieß um. So findet sich der kleine Rüpel auf einmal mitten in der Kanne wieder, während von oben Tee nachgegossen wird. Oder die Uhr zwingt ihn dazu, komplizierte Rechenaufgaben zu lösen.

Die Schwierigkeit, Sänger und Komparsen zu einem Teil des Films zu machen und sie andererseits immer wieder aus der Leinwand-Fiktion heraustreten zu lassen, meistern Andrade, Appleton und Barritt mit Bravour. Das Orchester der Komischen Oper steuert sozusagen den "Soundtrack" bei. Rhythmisch akzentuiert und lebendig entfalten sich unter Poschners kundiger Leitung Strawinskys avantgardistische Ballettmusik und Ravels "lyrische Fantasie", in der sich Einflüsse früherer Musikepochen mit Polka-, Ragtime- und Jazzelementen mischen.

Allen Mitwirkenden an der Koproduktion mit der Deutschen Oper am Rhein spendete das Berliner Publikum begeisterten Beifall. Im März 2018 wird sich auch in Düsseldorf der Vorhang für dieses multimediale "Gesamtkunstwerk" heben.

(Von Corina Kolbe)

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Beifall für "Petruschka/L’Enfant et les Sortilèges" in Berlin
(28.01.2017 – 22.24 Uhr)

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