Berlin (MH) – Mit "Nabucco" von Giuseppe Verdi ist die Berliner Staatsoper Unter den Linden am Mittwochabend fulminant in die neue Spielzeit gestartet. Weltstar Anna Netrebko erntete für ihr szenisches Debüt als Abigaille stürmischen Beifall und Ovationen im Stehen. Großen Applaus gab es auch für Luca Salsi in der Rolle des babylonischen Königs Nabucco, Marina Prudenskaya als seine Tochter Fenena, Ivan Magrì als Ismaele und Mika Kares als Hohepriester Zaccaria. Die aus Palermo stammende Regisseurin Emma Dante, die ihre erste Inszenierung an einem deutschen Opernhaus präsentierte, musste dagegen Buhs einstecken. Am Pult der Staatsoper war der französisch-schweizerische Verdi-Kenner Bertrand de Billy zu erleben.
Verdi feierte mit dieser Oper 1842 an der Mailänder Scala seinen ersten großen Bühnenerfolg. Vor dem Hintergrund des Kriegsgeschehens im Nahen Osten hat der Stoff zurzeit eine geradezu beklemmende Aktualität. Der Komponist und sein Librettist Temistocle Solera bezogen sich auf die in der hebräischen Bibel beschriebene Eroberung Jerusalems durch die Babylonier und die Gefangennahme der Juden in Babylon. Die babylonische Königstochter Fenena und ihre vermeintliche Schwester Abigaille, deren Vater in Wirklichkeit ein Sklave war, lieben beide Ismaele, den Neffen des Königs von Jerusalem, wo Fenena als Geisel gehalten wird. Als Abigaille von Ismael zurückgewiesen wird und durch Zufall von ihrer wahren Herkunft erfährt, sinnt sie auf Rache.
Dantes Inszenierung stützt sich auf ein dekoratives Bühnenbild, das von einer wabenähnlichen Konstruktion aus Stufen, Leitern und Treppen dominiert wird. Die Regisseurin ließ sich dazu von dem Bau- und Kunstwerk "Vessel" anregen, das 2019 im New Yorker Stadtteil Manhattan eröffnet wurde. Das Gebilde soll sowohl den von den Babyloniern zerstörten Tempel in Jerusalem als auch die Hängenden Gärten von Babylon darstellen.
Netrebko beeindruckte mit ihrem farbenreichen, dunkel getönten Sopran, die anspruchsvolle Partie der Abigaille meisterte sie scheinbar mühelos. Vor allem nach der Arie "Anch’io dischiuso un giorno" erhielt sie begeisterten Szenenapplaus und "Brava"-Rufe. Prudenskaya gestaltete mit berückender Intensität die Partie der aus Liebe zum jüdischen Glauben übergetretenen Fenena, der deshalb in ihrer Heimat der Tod droht. Salsi verkörperte ausdrucksstark den größenwahnsinnigen König, der den Verstand verliert und von Abigaille entmachtet wird. Die Oper endet schließlich mit einem Sieg des Guten, während Abigaille sich reuig mit Gift das Leben nimmt. Dante taucht dazu das Wabengebilde in ein Lichtermeer. Ein Zeichen der Hoffnung, das angesichts der realen Konflikte in der Welt als reine Utopie erscheint.
Netrebko sang die Rolle zuerst im Frühjahr 2023 bei konzertanten Aufführungen am Hessischen Staatstheater Wiesbaden. Ihr Engagement löste damals eine heftige Kontroverse aus. Der Sopranistin wurde nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine eine Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin vorgeworfen. Auch die Rückkehr an die Berliner Staatsoper in Verdis Oper "Macbeth" war im vergangenen Jahr von Protesten begleitet.
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(ck/wa)
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