Erste Oper von Rebecca Saunders in Berlin uraufgeführt

20. Juni 2025 - 21:14 Uhr

Berlin (MH) – Ein geschlossenes, leicht zitterndes Auge mit einem pechschwarzen Wimpernkranz wird in überdimensionaler Größe auf die Bühnenwand projiziert. Die Kamera fährt langsam das Gesicht hinunter bis zu einem zuckenden Mund, der Wortfetzen ausstößt. In Rebecca Saunders neuem Werk "Lash – Acts of Love" durchlebt eine Frau einen psychischen Ausnahmezustand, Gedanken über Liebe, Erotik, Verlust und Tod jagen durch ihren Kopf.

"Lash"

"Lash"

Die Uraufführung der ersten Oper der britischen Komponistin wurde am Freitagabend an der Deutschen Oper Berlin enthusiastisch vom Publikum gefeiert. Nur vereinzelt ertönten einige Buhrufe.

Die namenlose Protagonistin des Stücks spaltet sich in verschiedene Persönlichkeiten auf, die von drei Sängerinnen und einer Schauspielerin interpretiert werden. Die Sopranistinnen Anna Prohaska und Sarah Maria Sun, die Altistin Noa Frenkel und die Schauspielerin Katja Kolm meisterten das anspruchsvolle Werk mit Bravour.

In den drei Akten mit den Titeln "Love", "Mute" und "Loss" versenken sie sich in innere Monologe oder interagierten als Duett, Trio und Quartett. Mit schmerzhafter Intensität bringen sie zum Ausdruck, wie sich die Hauptperson nach einem rätselhaft bleibenden Todesfall aus verschiedenen Perspektiven selbst zu ergründen versucht. Indem sich die Frau bewusst wird, dass auch ihre eigene Existenz endlich ist, erlangt sie schließlich die Fähigkeit, zu leben und zu lieben.

Die musikalische Leitung hat Enno Poppe, der als einer der prägendsten deutschen Gegenwartskomponisten gilt. Neben dem Orchester der Deutschen Oper sind zwei analoge Korg-Synthesizer und eine E-Gitarre zu hören. Saunders wollte nach eigenen Worten neben dem Orchester eine "elektronisch anmutende Klangwelt" erschaffen.

Das Libretto zu der klangmächtigen Oper, die keine durchgehende Handlung hat, sondern einem Bewusstseinsstrom folgt, schrieb die Komponistin gemeinsam mit Ed Atkins. Die Basis für ihre Arbeit war ein Originaltext des bekannten Autors und Videokünstlers.

Ben Kidd und Bush Moukarzel vom irischen Theaterkollektiv Dead Centre setzen mit ihrer bildgewaltigen Inszenierung teils verstörende Akzente. In Anlehnung an das Wort "Lash", auf Deutsch: "Wimper", arbeiten sie vor allem mit dem Bild des Auges, das für einen Übergangsbereich zwischen Außen und Innen steht. Die Wimpern schieben sich wie ein Vorhang zwischen diese beiden Räume. Die Gesichter der Mitwirkenden werden in immer neuen, stark vergrößerten Ausschnitten auf die Bühnenwand projiziert, was eine surreale Atmosphäre entstehen lässt.

Das von Nina Wetzel – neben den Kostümen – entworfene Bühnenbild wurde mit Videos des Künstlers Sébastien Dupouey erweitert. Vor zwei Jahren hatte Dead Centre an dem Haus bereits die Uraufführung von Giorgio Battistellis "Il teorema di Pasolini" auf die Bühne gebracht.

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(ck/wa)

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